Seite:Märchen (Montzheimer) 011.jpg

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„Alles will ich tun! Sage mir, wo ich die Zauberharfe finde,“ drängte der König.

„Gemach, gemach,“ wehrte der Alte. Er musterte und verglich einige Schriftzeichen in seinem Buche, blickte vor sich nieder und flüsterte:

„Mit dem lichten Morgenschein
Zieh’ gen Süden ganz allein.
Steig’ bergab und steig’ bergauf,
Folge breiten Flusses Lauf
Bis ans ferne blaue Meer –
Ragt ein Schloß dort hoch und hehr.
Hörst erklingen süße Weise –
Dieser Ort ist Ziel der Reise.“

Noch immer vor sich hinstarrend, flüsterte der Alte wieder geheimnisvoll:

„Nimm ein Löcklein von dem Haar
Deiner Gattin, und bewahr’
Dieses gut auf weiter Reise.
Merke dir die Sangesweise,
Die ihr trauernd Herz erbaute,
Wenn sie spielte auf der Laute.
Merke auf ihr Fieberlallen
Von der Heimat Marmorhallen,
Von der grünen Palmen Fächeln,
Von der goldnen Sonne Lächeln,
Von des blauen Meeres Weiten,
Von der goldnen Harfe Saiten,
Von den weißen Mutterhänden,
Die ihr Leiden könnten wenden.
Nimm den Ring mit Runenzeichen,
Den die Gattin dir wird reichen.
Einer Frau mit Trän’ im Blick
Bringt dies Kleinod wieder Glück.“

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_011.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)