Seite:Max Adler - 1848 23.jpg

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Proletariat in den Februartagen in Paris, in den Märztagen in Wien und Berlin hinauszieht zu den Gräbern von 1848, dann gehen die Blicke nicht nur zurück in die große ruhmvolle Vergangenheit; nein, sie fliegen durch die endlosen Reihen derer, die da herangezogen kommen in gleichem Sinn und gleichem Streben, und in einem stolzen Kraftbewußtsein wird sich das Proletariat allenthalben des ganzen Unterschiedes bewußt, der seine heutige Stellung von jener des Jahres 1848 trennt. Auch damals war das Proletariat ein begeisterter, opfermutiger Kämpfer, aber für Ziele, die ihm von anderen gesetzt waren, für Aufgaben, die es noch nicht völlig begriff. Es folgte nur dem Drange seiner Seele nach Freiheit, und so war es ihm gleich, wer es zu dem Werke rief, wenn es nur das Werk der Befreiung war. Die einzigen, die in jener großen Bewegung des Jahres 1848 wirklich mit Bewußtsein wenigstens der nächsten Ziele standen und handelten, waren die Studenten und Akademiker. Im Jahre 1848 ist der Name Student ein Ehrentitel geworden, in dessen Glanze die Nachkommen sich noch heute sonnen. Studenten standen an der Spitze der Bewegung, sie gaben die Zeitworte aus, sie warfen die zündenden Gedanken in die Menge als unermüdliche Versammlungsredner, im Barrikadenkampf standen sie an den gefährdetsten Stellen und ihr jugendlich Feuer entflammte überall die Lässigen. Mit einer unbeschreiblichen Liebe hingen die Arbeiter an diesen jugendlichen Freiheitskämpfern, die so recht in ihren Augen die leuchtende Verkörperung der herrlichen Sache schienen, die auch sie im Innersten erfüllte. Wo sie auftraten, ordnete sich alles ihnen unter, wann immer sie riefen, erschienen die Massen kampfbereit auf den Straßen, vor ihrem Worte bangte selbst die Hofburg. Sie waren die ersten im Kampfe: unter den ersten Opfern des 13. März verblutete bereits ein 18jähriger Jüngling aus ihren Reihen; — sie waren die letzten, die ausharrten, als schon längst das Bürgertum seinen feigen Frieden mit der erstarkenden Reaktion geschlossen hatte, die letzten, die in den Oktoberkämpfen fielen, die in den Kerker geworfen, in jahrelange Verbannung getrieben wurden. Dieses Bündnis der Intelligenz mit der Arbeiterschaft ist einer der glanzvollsten Züge des Revolutionsjahres, in ihm offenbart sich bereits der innerste Charakter der Arbeiterbewegung, die mit allen Mächten der Zivilisation und des Kulturfortschrittes durch ihr eigenes Interesse verbunden ist.

Die Intelligenz, als Stand betrachtet, ist ihrer Führerrolle in diesem Kampfe um Volksfreiheit und Gleichheit nicht treu geblieben. Es

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Max Adler: 1848. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1905, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Adler_-_1848_23.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2018)