Seite:Max Weber - Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik Seite 05.jpg

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der beiden Nationalitäten an die verschiedenen ökonomischen und sozialen Existenzbedingungen zu glauben. Und in der That ist dies der Grund, – der Beweis dafür liegt in der Tendenz, welche in der Verschiebung der Bevölkerung und der Nationalitäten zu Tage tritt und welche zugleich das Verhängnißvolle jener verschiedenen Anpassungsfähigkeit für das Deutschtum des Ostens erkennen läßt.

Es stehen uns zur Beobachtung der Verschiebungen in den einzelnen Gemeinden allerdings nur die Zahlen von 1871 bis 1885 zum Vergleich zur Verfügung, und diese lassen uns den Anfang einer Entwicklung erst undeutlich erkennen, die sich seither nach allem, was wir wissen, außerordentlich verstärkt fortsetzt. Die Deutlichkeit des Zahlenbildes leidet ja überdies naturgemäß durch die notgedrungene, aber nicht ganz genaue Gleichsetzung von Konfession und Nationalität einerseits, Verwaltungseinteilung und sozialer Gliederung andererseits. Allein trotzdem sehen wir das, worauf es ankommt, deutlich genug. – Die Landbevölkerung der Provinz, wie diejenige großer Teile des Ostens überhaupt, zeigte während des Zeitraumes von 1880–1885 eine Tendenz zur Abnahme: in Westpreußen betrug sie 12 700 Köpfe, d. h., während die Bevölkerung des Reiches sich um etwa 3½ % vermehrt hat, verminderte sie sich um 1¼ %. Auch diese Erscheinung, wie die bisher besprochenen, verteilt sich aber ungleich: in manchen Kreisen steht ihr eine Zunahme der Landbevölkerung gegenüber. Und zwar ist die Art, wie sich beide verteilen, recht eigentümlich. Nehmen wir zunächst die verschiedenen Bodenqualitäten, so wird Jeder vermuten: die Abnahme wird am stärksten die schlechtesten Böden betroffen haben, wo unter dem Druck der sinkenden Preise der Nahrungsspielraum