Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 09.jpg

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Der andere Brieff,

[vom 12. Juli 1706 aus Tranquebar]
betreffend

Die Fortsetzung der Reise aus Africa von Capo de bona esperanza biß in Ost-Indien nach Tranquebar, auf der See-Küste von Coromandel:

In dem HErren sehr Werthgeschätzte Gönner und Freunde,

NAchdem uns nunmehro der gnädige und barmhertzige GOtt glücklich und gesund allhie ankommen lassen, so haben wir Ursache, nicht allein ihm selbst für solche Wolthaten hertzlich und innig zu dancken, sondern auch unsern zurückgelassenen lieben Freunden, um dergleichen zu thun, einige Gelegenheit zu geben; Zumahl wir wissen und versichert seyn, daß ihr Gebeth, zum Seegen über uns, biß hieher uns täglich begleitet habe. Auf was Weise wir nach Capo de bona Esperanza gekommen, ist von dannen so wohl von mir, als von meinem lieben Mitt-Collegen, Herren Plütscho, über Engeland und Dennemarck kürtzlich berichtet worden, und hoffentlich zu ihren Händen wohl eingelauffen. Von itztbesagten Orte, allwo wir nach dem schimmlichen Brodte, sauren Biere und stinckenden Wasser mit frischen und gesunden Speisen wieder erquicket wurden, und unser Schiff mit denselben wohl versehen hatten, segelten wir den 8. Maji ab, und kamen in starcke Kälte. Als wir wieder etwa unter den 30 biß 39 Grad gegen Süden schiffeten, hatten wir fast alle Tage lauter Donner, Blitz und Hagel, und solchen Sturm, dergleichen uns jenseit Capo niemahls begegnet. Einmahl wurde das Ober-Theil des Mast-Baums auf 3. Stücken zerschlagen; und in dem Cajut alles auf Stücken zerschmettert, und hätte goß Unglück verursachen können, wenn es GOtt nicht wunderbahrlich abgewendet. Den 21. Maji erlangeten wir das grosse Eyland Madagascar, und kurtz darauf Mauritien: Nachmahls kamen wir allmählig wieder in die Wärme. Hier fieng sich abermahls der Fisch-Fang an, und als wir den 13. Junii den Tropicum Capricorni passiret hatten, und den 24. zu den Maldavischen Ey-Ländern gekommen waren, hatten wir das Schiff immer täglich voller Vögel und zwar von solcher dummen Art, daß sie uns selbsten in die Hände flohen oder sich nahe zu uns setzten, und mit uns spieleten; Sie wären auch nicht wieder fortgeflogen, wenn man sie nicht zum Schiffe hinaus geworffen. Den 27 Junii passireten wir zum andernmahl gantz glücklich den Æquatorem. Als wir etliche Tage von dannen geschiffet hatten, und wir die Insel Ceylon nicht ansichtig werden konten, wolte uns ein wenig bange werden, in Meinung, daß wir nicht recht geschiffet hätten.

Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_09.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)