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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11

Stück) in der Hanna betrieben. Beträchtlich ist auch die Zucht von Ziegen (116,880), Schweinen (205,976), Hühnern, Gänsen und Bienen (83,441 Bienenstöcke). Der mährische Seidenbauverein bemüht sich um die Einführung der Seidenzucht. Jagd und Fischerei sind ansehnlich. Produkte des Mineralreichs sind Steinkohle (über 10 Mill. metr. Ztr., hauptsächlich in dem nach Schlesien hinüberreichenden Ostrauer und im Rossitzer Becken), Braunkohle (1 Mill. metr. Ztr.), Eisenerz (239,000 metr. Ztr.) und Roheisen (1,516,000 metr. Ztr., namentlich aus ungarischen und steirischen Erzen gewonnen, die bedeutendste Produktion unter allen österreichischen Kronländern), Graphit (34,000 metr. Ztr.). Die Zahl der im Bergbau und den Hüttenwerken verwendeten Arbeiter beträgt 8300, der Wert der Jahresproduktion 7 Mill. Gulden.

[Industrie und Handel.] Die Industrie steht in M. auf einer hohen Stufe. An Mannigfaltigkeit der Produkte kommt sie zwar der böhmischen nicht gleich, doch ist der Wert der Produktion relativ größer. Die wichtigsten Artikel sind: Tuch, Leinwand, Baumwollwaren und Rübenzucker. Der Hauptsitz des Gewerbfleißes ist Brünn. In Schafwollwaren nimmt M. den ersten Rang in Österreich ein; die Zahl der hierbei beschäftigten Hilfsarbeiter dürfte sich auf 40,000, der Wert der Jahreserzeugung unter günstigen Zeitverhältnissen auf 50. Mill. Gulden belaufen. Die bedeutendsten Orte für diesen Industriezweig sind: Brünn, Iglau, Namiest, Neutitschein, Leipnik u. a. Die Leinenspinnerei, Weberei (letztere hauptsächlich als Hausindustrie) und Bleicherei werden meist im nördlichen Gebirgsland betrieben. Die Baumwollweberei hat ihre Hauptsitze in der Gegend von Sternberg, Proßnitz, Zwittau und Mistek. Unter den Textilindustriezweigen sind außerdem noch die Seidenweberei und die Maschinenspitzenfabrikation (Lettowitz) zu nennen. Die Rübenzuckerfabrikation ist in M., ebenso wie in Böhmen, zu hoher Entwickelung gelangt. 1886 waren 48 Fabriken im Betrieb, welche 13,000 Arbeiter beschäftigten und 7,5 Mill. metr. Ztr. Rüben verarbeiteten. Eisenwaren und zwar Gußwaren, Schienen, Bleche etc. liefern insbesondere die Werke zu Blansko, Friedland, Witkowitz und Zöptau. Andre Erzeugnisse der Metallindustrie sind: Eisengeschirr, Maschinen und Zinkblech. Wichtig sind ferner die Gerberei und Schuhwarenfabrikation, die Branntweinbrennerei und Likörerzeugung, die Bierbrauerei (1886: 168 Etablissements mit einer Erzeugung von 1,1 Mill. hl) und die damit in Verbindung stehende, für den Export thätige Malzfabrikation, die Darstellung von ätherischen Ölen und andern chemischen Produkten, die Thonwaren- und Glas-, die Papier- und Hutfabrikation und die Erzeugung von Möbeln aus gebogenem Holz. Vom Staat werden 6 Tabaksfabriken (mit 6800 Arbeitern) betrieben. Der Handel ist bedeutend; der Export umfaßt sowohl Rohprodukte als Fabrikate, wogegen Salz, Kolonialwaren, Roh- und Hilfsstoffe der Industrie importiert werden. Wichtig sind die Brünner Märkte. Dem Mangel an Wasserstraßen (ein Oder-Marchkanal ist projektiert) helfen gute Landstraßen (9190 km) und die Eisenbahnen (1173 km) ab.

[Bildungsanstalten.] An Bildungsanstalten bestehen: eine technische Hochschule in Brünn, 12 Ober-, 6 Unter- und 4 Realgymnasien, 12 Oberrealschulen (3 in Brünn) und 3 Unterrealschulen, eine theologische Fakultät in Olmütz, ein erzbischöfliches Seminar in Kremsier und ein bischöfliches in Brünn, ferner eine Staatsgewerbeschule, 12 gewerbliche Fach- und 2 Handelsschulen, 10 land- und forstwirtschaftliche Schulen und eine militärtechnische Schule (Weißkirchen). Außerdem zählt M. 2107 Volksschulen, 4 Lehrer- und 3 Lehrerinnenbildungsanstalten.

[Verwaltung.] Die Markgrafschaft M. wird in Landesangelegenheiten vom Landtag vertreten, welcher aus 100 Mitgliedern besteht, nämlich dem Fürsterzbischof von Olmütz und dem Bischof von Brünn, 30 Abgeordneten des großen Grundbesitzes, 31 der Städte, 6 der Handelskammern und 31 Abgeordneten der Landgemeinden. An der Spitze des Landtags steht der Landeshauptmann. In das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrats sendet M. 36 Vertreter. An der Spitze der Landesverwaltung steht die Statthalterei, welcher 6 politische Magistrate und 31 Bezirkshauptmannschaften unterstehen, nämlich:

Bezirk Areal in QKilom. Bevölke­rung 1880
Städte:    
Brünn 17 82660
Iglau 10 22378
Kremsier 10 11816
Olmütz 3 20176
Ung.-Hradisch 3 3659
Znaim 6 12254
Bezirkshaupt­mannschaften:    
Auspitz 733 69710
Boskowitz 851 79257
Brünn 1223 128710
Datschitz 1107 66243
Gaya 461 45287
Göding 769 71259
Gr.-Meseritsch 548 37878
Hohenstadt 609 72941
Iglau 510 35606
Kremsier 456 43211
Kromau 677 40866
Littau 652 73280
Mähr.-Trübau 686 73646
Mistek 562 76266
Neustadtl 806 60485
Neutitschein 500 67827
Nikolsburg 396 37111
Olmütz 499 55134
Prerau 434 55483
Proßnitz 472 60950
Römerstadt 382 32186
Schönberg 806 74176
Sternberg 754 65832
Trebitsch 728 48718
Ungarisch-Brod 990 64911
Ung.-Hradisch 849 88191
Wal.-Meseritsch 989 76448
Weißkirchen 596 54461
Wischau 867 82048
Znaim 1438 93794
Zusammen: 22224 2153407

Behufs der Rechtspflege ist das Land in sechs dem mährisch-schlesischen Oberlandesgericht in Brünn unterstehende Sprengel von Gerichtshöfen erster Instanz mit 70 Bezirksgerichten, behufs der Finanzverwaltung in vier der Finanzlandesdirektion in Brünn untergeordnete Bezirke eingeteilt. Revierbergämter sowie Handels- und Gewerbekammern bestehen zu Brünn und Olmütz. Das Land bildet ferner 6 Ergänzungsbezirke für das Heer und 2 katholische Diözesen (Erzbistum Olmütz und Bistum Brünn). Das Wappen (s. Tafel „Österreichisch-ungarische Länderwappen“) bildet ein in Gold und Rot geschachter, gekrönter Adler mit ausgebreiteten Flügeln im blauen Feld. Im Schild befindet sich ein Fürstenhut. Die Landesfarben sind Gold-Rot. Landeshauptstadt ist Brünn.

Geschichte.

Die frühsten bekannten Bewohner Mährens waren suevische Germanenstämme und zwar die Quaden, dann begegnen wir Rugiern, Herulern, Langobarden und im 6. Jahrh. den Slawen, zunächst zwischen der Donau und March (Maraha, Morava), von welchem Strom die Landes- und Volksbezeichnung: Marahanien = Mähren, na Moravě, anderseits Marahanen = Mähren, Mährer, Moravci, stammt. Mojmir I. war der Begründer dieses westkarpathischen, das nordwestliche Ungarn und Südost-Mähren einschließenden Vasallenstaats unter fränkischer Oberhoheit. Unter der Herrschaft Rastislaws vergrößerte sich das Mährenreich während der Familienzwistigkeiten der Karolinger im 9. Jahrh. Rastislaw nahm den Königstitel

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b11_s0105.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)