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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13

konstituiert. Nachdem schon 63 ein Teil der Stadt durch ein Erdbeben zerstört worden war, wurde dieselbe nebst mehreren andern Orten (Stabiä, Herculaneum) infolge des bekannten Ausbruchs des Vesuvs 24. Aug. 79 n. Chr. durch einen Regen von Bimsstein und Asche verschüttet. Obgleich Nachgrabungen schon in antiker Zeit stattgefunden hatten, blieb die Stadt doch bis 1748 gänzlich verschollen. Seitdem begannen die Ausgrabungen, welche aber planmäßig erst unter Murat 1808–15 durchgeführt wurden und in neuester Zeit unter der Leitung Fiorellis mittels eines jährlich vom Staat hierfür ausgeworfenen Betrags von 60,000 Lire systematisch und mit sorglichster Erhaltung alles Gefundenen betrieben werden.

Plan der Ausgrabungen in Pompeji bis 1888.
01 Apollotempel
02 Jupitertempel
03 Macellum
04 Curia
05 Merkurtempel
06 Eumachia-Gebäude
07 Schule
08 Gerichtssäle
09 Curia Isiaca
10 Gladiatorenkaserne
11 Temp. d. Fortuna Augusta
12 Temp. d. kapit. Gottheiten
13 Isistempel
14 Thermengebäude
15 Großes Theater
16 Kleines Theater
17 Fullonica
18 Haus d. Poeta tragico
19 Haus des Sallustius
20 Haus des Meleager
21 Haus d. Kastor u. Pollux
22 Casa del Fauno
23 Haus des Lucretius
24 Casa di Pansa
25 Casa del Balcone.

Man gräbt jetzt in wagerechten Schichten, und zwar wird möglichst erst ein von vier Straßen umgebener Häuserkomplex, eine sogen. Insula, völlig aufgedeckt, bevor man weiter schreitet; das verkohlte Holz wird auf das genaueste ersetzt. Bis jetzt ist nahezu die Hälfte der Stadt ans Tageslicht gebracht, darunter das Forum samt seinen Glanzbauten; Ruggiero berechnet das Gesamtareal von P. auf 662,684 qm, wovon bis 1880: 264,424 qm ausgegraben waren (vgl. obigen Plan). Die 6–6,5 m starke Decke besteht zu unterst aus einer 2–2,5 m dicken Schicht von Lapilli, größern und kleinern Bimssteinbrocken, sodann einigen Zentimetern Asche u. einigen Zentimetern schwerer, schwarzer Lapilli. Auf dieser ganzen über 3 m dicken Schicht liegt eine 60 cm dicke Aschenlage, dann gegen 10 cm schwarzer Lapilli, wechselnd mit einer dünnen Aschenschicht, endlich eine etwa 2,2 m dicke Lage von Asche, deren obere Hälfte allmählich in fruchtbare Erde umgewandelt ist. Die Einwohner sind bei der längere Zeit andauernden Katastrophe zum größten Teil entkommen; man hat bis jetzt nur einige Hundert Gerippe gefunden. Die Gebäude sind zum Teil durch Erdbeben und unter der Last der verschüttenden Massen eingestürzt, die obern Stockwerke, soweit sie aus der Verschüttungsmasse hervorragten, durch die spätere Bearbeitung des Landes zu Grunde gegangen. Trotzdem bietet der bis jetzt ausgegrabene Teil Pompejis (s. Plan) das treue Bild einer alten griechisch-italischen Stadt der ersten Kaiserzeit (neben Resten älterer Epochen) dar, zumal es derjenige ist, welcher das Forum und die bedeutendsten öffentlichen Gebäude, Tempel, Basilika, Bäder, Theater und Amphitheater, umfaßt und überdies eine reiche Menge von Wohnhäusern, Läden und industriellen Anlagen enthält. Der Abstand der entferntesten Punkte der Stadt, des Amphitheaters und des Herkulaner Thors, beträgt 1250 m; die Längenachse mißt 1045 m, die kurze Achse 730 m, der Mauerumfang etwa 3160 m.

Die Straßen sind meist gerade, aber schmal (3–9 m), im rechten Winkel sich durchkreuzend; die eigentliche Fahrstraße ist mit polygonalen Lavablöcken sorgfältig gepflastert. Die Trottoirs sind 1/4 m hoch, 1–2 m breit und verschieden belegt. Von einem Trottoir zum andern führen große elliptische Trittsteine, zwischen welchen Raum für die durchfahrenden Wagen gelassen war. An manchen Kreuzungen der Straßen sind Brunnen mit viereckigen Becken angebracht, an den Ecken stehen vielfach kleine, den Schutzgöttern der Straßen (Lares compitales) errichtete Altäre. Einen Einblick in das Alltagstreiben gewähren die an den Außenwänden der Häuser angemalten Inschriften, Empfehlungen von Kandidaten zu den städtischen Ämtern, Ankündigungen von Spielen u. a. enthaltend, sowie die überall angebrachten Kritzeleien des verschiedensten Inhalts. Der wichtigste Punkt der Stadt ist das schon erwähnte Forum civile, welches sich in einer Länge von 157 m und in einer Breite von 33 m ausdehnt und auf drei Seiten von

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0220.jpg&oldid=- (Version vom 11.10.2023)