verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14 | |
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Kokonfäden besteht und vor dem Zusammenzwirnen einzeln sehr stark gedreht ist; dient zur Kette der meisten seidenen Stoffe. Tramseide (Trama, Einschlagseide), aus geringern Kokons, besteht entweder aus nur einem mäßig gedrehten oder aus 2–3 nicht gedrehten, schwach zusammengezwirnten Rohseidefäden, deren jeder aus 3–12 Kokonfäden gebildet ist; dient zum Einschlag, zu Schnüren etc. Marabutseide besteht aus drei (selten zwei) Fäden weißer Rohseide, die nach Art der Trama gezwirnt, dann ohne vorhergehendes Kochen oder Entschälen gefärbt und schließlich sehr scharf gezwirnt sind, hat peitschenschnurartige Härte, wird in der Weberei benutzt. Soie ondée, aus einem groben und einem feinen Rohseidefaden gezwirnt, von welchen der erstere in Schraubenwindungen um den letztern sich herumlegt; dient zu leichten Modestoffen. Pelseide (Pelo), aus den geringsten Kokons gewonnen, ist ein einziger grober, gedrehter Rohseidefaden aus 8, 10 oder mehr Kokonfäden, dient als Grundlage zu Gold- und Silbergespinsten und wird mit geplättetem Draht umwickelt. Nähseide (Cusir) ist aus 2, 4, auch 6 gedrehten oder ungedrehten Rohseidefäden (à 3–42 Kokonfäden) zusammengezwirnt. Strickseide, der vorigen ähnlich, aber dicker und schwächer gezwirnt, weil sie weich sein muß, enthält 3 bis etwa 18 Rohseidefäden. Kordonnierte S., bestehend aus schönen Rohseidefäden, die man zunächst rechts dreht, worauf 4–8 Fäden links zusammengezwirnt und 3 gezwirnte Fäden durch eine Zwirnung rechts vereinigt werden, ist drall und derb, sehr rund und glatt, schnurähnlich, dient zu gestrickten, gehäkelten Arbeiten etc. Stickseide (flache S., Plattseide) ist ein schwach gedrehter einfacher Rohseidefaden oder aus 2–10 und mehr nicht gedrehten Rohseidefäden durch eine sehr schwache Drehung gebildet. Der ganze Faden breitet sich flach aus, und man kann nach dem Kochen und Färben die einzelnen Kokonfäden unterscheiden. Die aus den Seidenfilatorien (Seidenmühlen) hervorgehende S. heißt filierte oder moulinierte S. im Gegensatz zur Rohseide.
Zur Bestimmung der Feinheit der filierten S. (Titrierung) gibt man das Gewicht einer bestimmten Fadenlänge an und zwar das Gewicht einer Strähne von 9600 Pariser Aunes (11,400 m) in Deniers (à 24 Gran). Ein Denier ist beim französischen Seidengewicht = 1,275, beim piemontesischen = 1,281, beim mailändischen = 1,224 Gran. Man haspelt ein Gebind von 400 Aunes (475 m) ab und bestimmt dessen Gewicht in Gran. So viel Gran die Probe wiegt, so viel Deniers wiegen 9600 Aunes. In Frankreich setzt man die 400 Aunes rund = 480–500 m. Der einfache Kokonfaden wiegt 2–3,5 Deniers, feinste ungezwirnte Rohseide 7–10, feinste Organsin 21–24, gröbste 50–85, feinste Trama 12–24, gröbste 60–80 Deniers. Auf den internationalen Kongressen von 1873 und 1874 wurde beschlossen, die Feinheitsnummer der Seidengespinste durch den zehnfachen Wert der Zahl auszudrücken, welche das absolute Gewicht eines Fadenstücks von 1 m Länge in Milligrammen darstellt; als Einheitslänge soll hierbei 500 m, als Einheitsgewicht 0,05 g angenommen werden. Die S. ist ungemein hygroskopisch; sie nimmt in Kellern 30 Proz. Feuchtigkeit auf, ohne eigentlich Nässe zu zeigen, und je nach der Beschaffenheit des Aufbewahrungsorts und der Luft schwankt ihr Gewicht leicht um mehrere Prozent. Um nun dem Seidenhandel mehr Sicherheit zu geben, wird die S. in besondern Anstalten (Konditionieranstalten) probeweise bei 20–30° getrocknet und danach ihr Wert bestimmt. Richtig konditionierte S. enthält 9–10 Proz. Feuchtigkeit; man trocknet aber auch eine Probe bei 110°, wägt sie und schlägt zu dem Gewicht dieser absolut trocknen S. 10 Proz. hinzu.
Rohe S. ist hart, rauh, steif und ohne Glanz (ungekochte, unentschälte S., écru) und wird zu Gaze und Blonden verarbeitet; meist aber wird sie entschält, d. h. von dem Seidenleim und Farbstoff befreit, wodurch sie glänzend und weich wird (gekochte, entschälte, linde S.) und sich leichter und besser färbt. Man behandelt sie zu dem Zweck mit starker Seifenlösung bei 90° (Degummieren), windet die Strähnen aus, bringt je 20–30 kg in einen leinenen Sack, kocht sie in schwächerer Seifenlösung, spült und trocknet. Gute S. erleidet hierbei einen Gewichtsverlust von 27 Proz.; die Kokonfäden sind wieder vollständig voneinander getrennt, und die S. erscheint daher lockerer, gleichsam aufgequollen. Gelbe S. ist nun weiß und kann auch mit hellen Farben gefärbt werden; die weiß zu verarbeitende wird mit schwefliger Säure vollständig gebleicht und dann mit Indigolösung gebläut oder mit Orlean schwach rötlich gefärbt (Chinesischweiß). Rohe S. kann ohne Entschälung gebleicht werden, indem man sie 48 Stunden mit einem Gemisch aus 1 Teil Salzsäure und 23 Teilen Weingeist digeriert.
Florettseide (Fleurett, Filoselle, Florett) wird aus den Seidenabfällen (Galettseide) bereitet und besteht nicht, gleich der gehaspelten S., aus ununterbrochenen langen Fäden, sondern aus mehr oder weniger kurzen, durch einen wirklichen Spinnprozeß zu Fäden vereinigten Fasern. Die Abfälle bestehen aus der Flockseide und den pergamentartigen innern Häutchen der Kokons (beide Sorten werden als Strusi bezeichnet) sowie aus beschädigten oder durchgebissenen Kokons. 8–10 kg Kokons liefern etwa 1 kg gehaspelte S. und 1–2 kg Abfälle. Die Strusi werden 8–10 Tage in Wasser maceriert und dann gewaschen; die Kokons kocht man mit Seifenwasser und wäscht sie dann ebenfalls; das so gewonnene Material wird nun wie Baumwolle gekrempelt und gesponnen. Bisweilen zerschneidet man auch das Material zunächst in Längen von 40–70 mm, oder man hechelt oder kämmt die langen Sorten, wie Flachs oder lange Wolle, auf der Dressingmaschine und erhält als Abfall Stumpen- oder Seidenwerg. Zum Spinnen dient das Handrad oder Maschinen, wie sie bei der Baumwoll-, Flachs- oder Kammwollspinnerei benutzt werden. Die Gespinste (Seidengarn) kommen als Chappe, Crescentin, Galettam, Galette in den Handel; auch die Abfälle bei der Florettseidenfabrikation (Strazza) werden ebenfalls noch versponnen. Man benutzt die Gespinste zu Geweben, Hutfelbel, groben Bändern und Schnüren, als Stickseide, auch zum Stricken und in der Strumpfwirkerei. Für gewisse Waren wird Florettseide auch mit Baumwolle oder Wolle versponnen.
Seidenbau und Seidenmanufaktur wurden zuerst in China betrieben; schon 4000 Jahre v. Chr. war die S. den Chinesen bekannt, doch geschieht der Seidenzucht erst 2602 Erwähnung. Eine chinesische Kaiserstochter verpflanzte die Seidenzucht 140 v. Chr. nach Japan und eine andre im 6. Jahrh. nach Tibet. Nach Ritter wanderte die Zucht wohl in der Sassanidenperiode nach Sogdiana, Baktriana und Iran und kam von dort nach Serinda. Bei den Griechen spricht zuerst Aristoteles von der S. und der Seidenraupe, und zwar scheint Alexander durch seinen Feldzug diese Kenntnis vermittelt zu haben. Ward nun schon hier die S. ein beliebter Gegenstand des Luxus,
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 825. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b14_s0825.jpg&oldid=- (Version vom 4.9.2024)