verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14 | |
|
durch den elektrischen Funken, Reibung mit vegetabilischen Fasern, andauernde Abkühlung, momentane Erwärmung auf 40° R. oder durch kurze Einwirkung von Schwefel-, Salpeter- oder Salzsäure hervorrufen.
Bei der Seidenraupenzucht werden im Frühjahr wenige Tage vor dem Grünwerden der Maulbeerbäume die Eier (Grains, Samen) zur Ausbrütung ausgelegt. Kleinere Quantitäten trägt man wohl zu dem Zweck am Leib oder legt sie unter die Bettmatratze; größere werden in Zimmern ausgebreitet, in welchen man die Temperatur von 0°, täglich um 1/2–1°, auf 18–20° R. steigert. Man benutzt auch Brutöfen, wie den von Haberlandt-Bolle, welcher aus einem an der einen Seite offenen Kasten aus Zinkblech, der von einem hölzernen Kasten umgeben ist, besteht. Der Zwischenraum zwischen beiden Kasten dient zur Zirkulation eines warmen Luftstroms, der aus einer Petroleumlampe aufsteigt und durch ein Rohr entweicht. Durch ein Glasthürchen schiebt man die Rahmen mit den Eiern, Thermometer und Wassergefäß ein; die Lufterneuerung im Brütraum geschieht durch besondere Röhren. In 10–15 Tagen schlüpfen die Raupen aus und werden mittels junger Maulbeerblätter abgehoben und im Aufzuchtslokal auf Hürden gelegt. Dies Lokal und alle Geräte müssen vorher gut gereinigt und womöglich mit Chlor geräuchert werden. Zur Aufzucht der Raupen aus 25 g Samen (35–40,000 Eier) bedarf man 70 cbm Raum. In demselben werden eine Temperatur von 17° und beständiger Luftwechsel unterhalten. Jede zweite oder dritte Stunde, mit Ausnahme der Häutungsperioden, wird gefüttert. Das Laub nimmt man vom weißen Maulbeerbaum; es muß frisch und nicht von Regen oder Tau naß sein. Zweckmäßig reicht man bis zur vierten Häutung mit der Laubschneidemaschine zerschnittenes Laub. Man verbraucht auf 25 g Samen bis zum Einspinnen 780 kg und erhält von 1000 kg Laub 60 kg Kokons. Mit dem Wachsen der Raupen (die ausgewachsene übertrifft die ausgeschlüpfte an Volumen um das 2250fache, an Gewicht um das 6000fache) muß man sie auf immer größere Flächen ausbreiten; die Raupen aus 25 g Samen erfordern beim Ausschlüpfen 0,3, bei der ersten Häutung 1, bei der zweiten 3, bei der dritten 9, bei der vierten 20, bei der Spinnreife 70 qm. Nach der ersten Häutung muß man die Lager mit den Exkrementen und Blattresten täglich entfernen (Wechseln der Betten); man legt zu dem Zweck
Bis zur dritten Häutung. | Bis zur vierten Häutung. |
Fig. 4 u. 5. Schema des durchlöcherten Papiers zum Umbetten der Raupen; natürl. Größe. |
Netze oder durchlöchertes Papier (Textfig. 4 u. 5) auf die Raupen und darüber frisches Laub. Sehr bald kriechen dann die Raupen hervor und können leicht auf neue Hürden übertragen werden. Das alte Lager wird aufgerollt und hinausgeschafft. Nach 30–35 Tagen hören die Raupen auf, zu fressen, und man stellt nun die Spinnhütten auf, welche aus losen, zwischen zwei Hürden aufgerichteten Bündeln von trocknem Stroh oder Reisig bestehen. Acht Tage, nachdem die letzte Raupe in die Spinnhütte übertragen wurde, kann man letztere zerlegen und die Kokons sammeln. Bevor man diese zu Markte bringt oder in eignen Öfen mit Dampf oder heißer Luft tötet, muß man sorgfältig die schwachen oder fleckigen und die sogen. Doppelkokons auslesen.
Die Seidenraupe ist mehreren Krankheiten unterworfen, welche oft ganze Aufzuchten zerstören. Alle kranken Raupen zeigen verminderte Freßlust und Verzögerung des Wachstums, welche Unregelmäßigkeit
Fig. 6. Fleckenkranke Raupe. | |
der Häutungen unter Raupen desselben Alters herbeiführt. Man unterscheidet fünf Krankheiten. Bei der Fleck- und Körperchenkrankheit (Pébrine, Gattine) erscheinen schwarze Fleckchen auf der Raupe (Fig. 6); die innern Organe sind mit sogen. Körperchen (Fig. 7), einem mikroskopischen Pilz, Nosema bombycis Näg., infiziert. In mildern Graden
Fig. 7. Körperchen. 600/1. | Fig. 9. a Bakterien, b Mikrokokkus der schlaffsüchtigen Raupe. 600/1. |
der Krankheit kann die Raupe sich einspinnen und verpuppen, es schlüpft auch der Schmetterling aus; aber der Pilz befällt auch die Eierstöcke und die Eier, aus den kranke Raupen ausschlüpfen. Die Schlaffsucht (Flacherie) befällt die Raupen meist unmittelbar vor der Spinnreife (Fig. 8); sie werden schlaff, sterben bald ab, verbreiten nach wenigen Stunden einen widerwärtigen Geruch und werden schwarz und breiig. Große Zuchten können dadurch in 2–3 Tagen dahingerafft werden. Im Mageninhalt treten bei dieser Krankheit zahlreiche Bakterien und Mikrokokken (Cordyceps) auf (Fig. 9). Die wahre Ursache der
Fig. 10. Pilz der Kalksucht (Botrytis Bassiana). 200/1. | Fig. 11. Polyedrische Körnchen der Gelb- oder Fettsucht. |
Schlaffsucht ist nicht bekannt, doch wird sie durch irrationelle Aufzucht begünstigt. Die Kalksucht (Muscardine) wird durch einen Pilz, Botrytis Bassiana Bal. (Fig. 10), herbeigeführt. Das Mycelium desselben durchwuchert in mehreren Tagen die innern Organe, tötet die Raupe, durchbricht die Haut und fruktifiziert, worauf die weißen Sporen ausgestreut werden. Die abgestorbene Raupe ist wachsartig, später
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 828. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b14_s0828.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2024)