verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14 | |
|
Sibth., bei botan. Namen Abkürzung für J. Sibthorp, geb. 1758 zu Oxford, Professor der Botanik daselbst, gest. 1796 in Bath (Flora graeca).
Sibyllen (Sibyllae), im Altertum von einer Gottheit (gewöhnlich Apollon) begeisterte, weissagende Frauen, über deren Zahl, Namen und Vaterland jedoch nichts Übereinstimmendes überliefert ist. Sie werden in sehr verschiedenen Gegenden genannt, am frühsten in Kleinasien in der Umgegend des troischen Ida, in dem ionischen Erythrä, dessen Sibylle (Herophile) mit der Zeit vor allen andern berühmt ward, ferner auf Samos, zu Delphi sowie zu Cumä und Tibur in Italien und anderwärts. Stets werden sie als Jungfrauen geschildert, die in einsamen Grotten und Höhlen oder an begeisternden Quellen wohnen, vom Geist Apollons ergriffen in wilder Entzückung wahrsagen und beim Volk im höchsten Ansehen standen. Sie heißen bald Apollons Priesterinnen, bald seine Geliebten, Schwestern oder Töchter. In Griechenland weissagten sie besonders an solchen Orten, wo sich Orakel des Gottes befanden, verschwanden aber, sobald die Orakelstätte in Ruf gekommen war. Dem Geist nach einander verwandt, werden die S. vielfach auch äußerlich miteinander in Verbindung gebracht; namentlich galt die erythräische Sibylle für identisch mit der aus der römischen Geschichte bekannten cumäischen (auch Amalthea genannt). Von letzterer sollten die Sibyllinischen Bücher, eine Sammlung von Weissagungen (in griechischen Versen?), herstammen, die nach der bekannten Sage einst Tarquinius von einer geheimnisvollen Greisin um ungeheuern Preis ankaufte, und die nur von eigens dazu bestellten Priestern und nur auf Befehl des Senats befragt werden durften. In der gallischen Katastrophe gingen diese Bücher in Flammen auf, und man veranstaltete eine neue Sammlung in asiatischen und griechischen Städten, die später von Augustus gesichtet, aber im 5. Jahrh. n. Chr. auf Befehl Stilichos verbrannt wurde. Die Alten erwähnen auch eine chaldäisch-jüdische Sibylle, Namens Sabba oder Sambethe, welche mit einer babylonischen, auch ägyptischen identifiziert ward. Die jetzt noch in griechischen Versen existierenden 12 Bücher „Sibyllinischer Orakel“ sind spätern Ursprungs (2. und 3. Jahrh. n. Chr.) und bestehen aus einem vorwiegend jüdischen und einem vorwiegend christlichen Grundstock (hrsg. von Alexandre, Par. 1841–56, 2 Bde., und Friedlieb mit Übersetzung, Leipz. 1852, 2 Bde.). Vgl. Ewald, Über Entstehung, Inhalt und Wert der Sibyllinischen Bücher (Götting. 1858); Dechent, Über das 1., 2. u. 11. Buch der Sibyllinischen Weissagungen (Frankf. a. M. 1873); Badt, Ursprung, Inhalt und Text des 4. Buches der Sibyllinischen Orakel (Bresl. 1878); Maaß, De Sibyllarum indicibus (Greifsw. 1879). – Da die Weissagungen der S. von einigen Kirchenvätern auf das Erscheinen Christi gedeutet wurden, nahm sie die christliche Kunst in den Bereich ihrer Darstellungen auf. Es gibt deren von Giotto, den Brüdern van Eyck (Genter Altar), Roger van der Weyden u. a. Die berühmtesten sind die fünf S. von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle und die vier S. von Raffael in Santa Maria della Pace in Rom.
Sibyllenort, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Breslau, Kreis Öls, am Juliusburger Wasser und an der Linie Breslau-Tarnowitz der Preußischen Staatsbahn, hat ein schönes im Tudorstil aufgeführtes Schloß (früher Eigentum des Herzogs Wilhelm von Braunschweig und von diesem dem König von Sachsen testamentarisch vermacht), mit Bibliothek, Gemäldegalerie, großem Wildpark etc., Bierbrauerei und (1885) 335 Einw.
Sibyllīnische Bücher, s. Sibyllen.
Sicard (spr. ssikár), Rochambroise Cucurron, Abbé, um das Unterrichts- und Erziehungswesen der Taubstummen verdient, geb. 20. Sept. 1742 zu Fousseret bei Toulouse, machte hier seine Studien, wurde in Bordeaux Kanoniker und kurz nachher Mitglied der Akademie und des Museums. Er errichtete hier eine Taubstummenanstalt, welche guten Fortgang hatte, und ward 1789 an der Stelle des Abbé de l’Epée mit der Leitung der Taubstummenanstalt zu Paris betraut. Am 10. Aug. 1792 als verdächtig verhaftet, entging er den Septembermetzeleien nur durch Zufall. Als Herausgeber der „Annales catholiques“ ward er nach dem 18. Fructidor zur Deportation verurteilt, entfloh aber. Erst nach dem 18. Brumaire konnte er zu seiner Anstalt zurückkehren. Bei der Gründung des Instituts wurde S. Mitglied desselben und 1816 auch Mitglied der Akademie. Er starb 10. Mai 1822. Unter seinen Schriften ist die „Théorie des signes pour l’instruction des sourds et muets“ (Par. 1808, neue Aufl. 1828) hervorzuheben. Vgl. Berthier, L’Abbé S. (Par. 1873); Walther, Geschichte des Taubstummenbildungswesens (Bielef. 1883).
Siccardsburg, August Siccard von, Architekt, geb. 6. Dez. 1813 zu Wien, verband sich frühzeitig zu gemeinsamer Thätigkeit mit Ed. van der Nüll (s. d.). Er reiste mit demselben, wurde 1844 mit ihm Professor an der Akademie in Wien und führte eine Reihe für Wien epochemachender Bauten mit ihm aus (Arsenal, Opernhaus u. a.). S. vertrat mehr das konstruktive, van der Nüll das künstlerische Element. Er starb 11. Juni 1868 in Weidling.
Siccimēter (lat.-griech.), eine Art Verdunstungsmesser, s. Atmometer.
Sic ēunt fata homĭnum (lat.), „So gehen die Schicksale der Menschen“, d. h. so geht’s in der Welt.
Sichäus, Gatte der Dido (s. d.).
Sichel (lat. Drepanium), die Form eines Blütenstandes (s. d., S. 81).
Sichel, Werkzeug zum Schneiden des Getreides und Grases, besteht aus einer nach vorn sich verjüngenden, konkav gekrümmten Klinge mit einem kurzen hölzernen Handgriff. Die Grassicheln sind kurz, aber sehr stark gebogen. Die meisten Sichelklingen liefert Steiermark. Die S. ist eins der ältesten Kulturwerkzeuge, und Bronzesicheln aus prähistorischer Zeit sind vielfach gefunden worden. Bei den alten Griechen war die S. Symbol des Landbaues, daher Attribut der Demeter. Das Sichet (auch Hausichte genannt), ein in Belgien noch übliches Werkzeug zum Mähen von Getreide, hat ein kürzeres Blatt als die Sense und einen nur armlangen Stiel; es wird im Verein mit einem Stabe bei lagernder Frucht vorteilhaft verwendet.
Sichelklee, s. Medicago.
Sichelreiher, s. Ibisse.
Sichelwagen (Currus falcatus), zwei-, im Mittelalter (Ribaudequin) vierräderiger Wagen, an dessen Deichselspitze u. Achsenschenkeln sichelförmige Schwerter angebracht waren. Die mit zwei oder vier Pferden bespannten S. wurden in großer Anzahl (eine Phalanx 64 S.) je durch einen geharnischten Wagenführer im ersten Treffen in den Feind gefahren, um diesen in Unordnung zu bringen und so dem nachdringenden Fußvolk und der Reiterei den Weg zu bahnen. Die orientalischen Völker haben sich lange, Römer und Griechen, soviel bekannt, nicht der S. bedient.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 14. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 931. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b14_s0931.jpg&oldid=- (Version vom 14.11.2024)