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Seite:Meyers b15 s0213.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15

In diesen blutigen Kämpfen ging meist die städtische Freiheit verloren. Erst in neuerer Zeit nahm das Städtewesen in Italien wiederum einen erfreulichen Aufschwung.

In Südfrankreich findet anfangs eine ähnliche Entwickelung wie in Italien statt. Auch hier gibt es Consules, Ratskollegien und ein Parlamentum, aber daneben macht sich auch die erstarkende Staatsgewalt geltend; ihre Vertreter sind die Baillis, denen die höhere Gerichtsbarkeit vorbehalten bleibt. In den bischöflichen Städten von Nordfrankreich traten die untern Stände zu Vereinigungen (Kommunen) zusammen, nahmen den Kampf gegen ihre Bischöfe auf und fanden dabei bei den Königen lebhafte Unterstützung. Diese vertraten den wohlwollenden Grundsatz, daß jede „Kommune“ unter dem König stehe, obwohl sie die Städte ihres unmittelbaren Gebiets (des alten Francien) nicht sonderlich begünstigten. Als Beamte finden sich in diesen Städten: ein Maire, mehrere Schöffen (Jurati) und ein Bailli. Als die Macht des Königtums wuchs, wurde die städtische Selbstverwaltung mehr und mehr eingeschränkt.

In England sind die Städte teils auf keltischen, teils auf römischen Ursprung zurückzuführen. Sie besaßen in der angelsächsischen Zeit eine seltene Freiheit und Selbständigkeit, berieten ihre Angelegenheiten in eigner Versammlung und standen unter Burggrafen. Innerhalb der städtischen Bevölkerung haben sich schon früh Vereinigungen (Gilden) gebildet, welchen die Pflicht gegenseitiger Rechtshilfe und der Blutrache oblag. Diese Gilden hatten Statuten und eigne Vorsteher. Nach der Eroberung Englands durch die Normannen wurden die Rechte der Städte vielfach verkürzt; sie gerieten in Abhängigkeit von den Königen, Baronen oder Bischöfen. Seit dem 15. Jahrh. erhielten sie von den Königen umfangreichere Privilegien, doch haben sie auch schon früher bei der eigenartigen Entwickelung der englischen Verfassung Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten gewonnen. Ihnen wurden bestimmte Anteile der aufzubringenden Steuern nicht ohne ihre Zustimmung auferlegt und die Verteilung und Eintreibung im einzelnen ihnen selbst überlassen. In der Magna Charta ist jedoch nur London und sieben andern Städten oder Häfen ein Recht der Teilnahme am Parlament zugestanden. Später stieg die Zahl dieser Städte bisweilen auf 200, doch hing die Berufung der städtischen Abgeordneten von der Willkür der Könige ab. Schon um die Mitte des 13. Jahrh. kam für die Vertreter der Städte die Bezeichnung „Gemeine“ (communitas totius regni Angliae) auf; sie bildeten neben der Versammlung der Barone und Prälaten ein zweites Kollegium und erhielten einen Sprecher. Ihr Hauptrecht war die Verwilligung von Abgaben. Manche Städte sendeten einen, andre zwei Vertreter zur Versammlung der Gemeinen, wozu im 14. Jahrh. noch zwei Vertreter aus jeder Grafschaft kamen. Seit dem 16. Jahrh., besonders aber seit den Zeiten Elisabeths, hob sich mit dem wachsenden Wohlstand der Einfluß der Städte. Die Mehrzahl der englischen Städte hat jedoch erst seit dem vorigen Jahrhundert durch Handel, Schiffahrt und Industrie einen bewunderungswürdigen Aufschwung genommen; denn noch zu Ende des 17. Jahrh. gab es außer London, das damals 1/2 Mill. Einwohner zählte, nur zwei Städte (Bristol und Norwich) mit 30,000 und vier andre mit mehr als 10,000 Einw.

Bevölkerungsverhältnisse.

Naturgemäß bildet die S. vorzüglich den Standort für Handel und Gewerbe, welche die Anhäufung vieler Betriebe auf kleinem Flächenraum nicht allein gestatten, sondern in derselben eine vorzügliche Stütze für Gedeihen und Weiterentwickelung finden, während die auf die Bebauung der Bodenoberfläche angewiesene Landwirtschaft eine Zerstreuung der Bevölkerung über das ganze Land hin bedingt. Land und S. versorgen einander gegenseitig. Demnach können große Städte, welche stets der Zufuhr von Massengütern (Lebensmittel, Brennstoffe etc.) bedürfen, nur bestehen, wenn die Verkehrsverhältnisse für sie genügend entwickelt sind. Darum sind solche Städte früher vornehmlich an Meeresküsten und schiffbaren Strömen entstanden. Zwar hatte auch das Altertum seine Großstädte, doch konnte die Zahl derselben nur verhältnismäßig klein sein. Und im Mittelalter bis zum 19. Jahrh. trat in den meisten europäischen Ländern die städtische Bevölkerung gegenüber der ländlichen erheblich zurück. Eine wesentliche Änderung wurde in dieser Beziehung durch die Fortschritte der modernen Technik und insbesondere des Verkehrswesens herbeigeführt. Die städtische Bevölkerung wächst in größerm Verhältnis und zwar vorzugsweise durch Zuzug als diejenige des flachen Landes. Als Folge dieses Umstandes läßt sich in den Städten eine stärkere Besetzung der Altersklassen von 15–35 Jahren wahrnehmen. So enthielten Prozente der Bevölkerung die Altersklassen unter 15 Jahren im Deutschen Reich 35, in einer Reihe größerer deutscher Städte nur 25; für die Alter von 20–30 Jahren waren die Prozente 16 u. 26, für die Alter von 30–40 Jahren: 13 u. 16, für die Alter über 40 Jahren dagegen: 25 u. 20. Schon aus diesem Grund wird es nicht als auffallend erscheinen, wenn in den Städten Heirats- u. Geburtszahl verhältnismäßig hoch sind. Gleichzeitig ist aber auch und zwar vornehmlich, weil hier die gesamten Lebensverhältnisse andrer Art sind, die Anzahl der unehelichen Geburten und der Sterbefälle in den meisten Städten relativ größer als auf dem Land.

In Orten mit über 2000 Einw. leben Prozente von der gesamten Bevölkerung: in den Niederlanden 80, Belgien 60, Großbritannien und Irland 45, Spanien und Italien 43, Portugal 41, Deutschland 40 (Sachsen 52, Rheinland 60, Posen 22), Schweiz 39, Österreich-Ungarn 37, Frankreich 30, Dänemark 22, Norwegen 15, Schweden 11, Rußland 11. Vorzüglich ist in den letzten Jahren die Bevölkerung der großen Städte und zwar am meisten die der Städte mit mehr als 100,000 Einw. gewachsen. In geringerm Grad hat die der kleinern Städte zugenommen, während in Orten von weniger als 3000 Seelen nicht selten ein Rückgang zu beobachten war. Auf der ganzen Erde gibt es zur Zeit 206 Städte mit über 100,000 Einw. Hiervon entfallen je 2/5 auf Europa und Asien. Von der gesamten Bevölkerung lebten 1881 in solchen Großstädten: in England und Wales 33 Proz., Belgien u. Niederlande 12,5, Frankreich 7,7, Deutschland 7,1, Italien 6,7, Österreich-Ungarn 3,3, Rußland 1,7 Proz. Die Art des raschen Wachstums einiger Großstädte wird durch nachstehende Zahlen verdeutlicht. Es hatten in Tausenden

Städte Jahr Einw. Jahr Einw. Jahr Einw. Jahr Einw.
London 1801 959 1851 2362 1875 3445 1886 4120 
Paris 1817 714 1856 1171 1876 1989 1886 2345 
Berlin 1801 173 1851 425 1875 967 1885 1315 
Wien 1800 231 1857 476 1875 677 1880 726¹
New York 1850 516 1875 1029 1886 1439²
Leipzig 1801 32 1852 67 1875 127 1885 170 
 ¹ Mit 35 angrenzenden Gemeinden 1888: 1,200,000.
 ² Mit Brooklyn, Jersey City und Hoboken 21/4 Mill.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b15_s0213.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2024)