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Seite:Meyers b17 s0382.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

beträgt 30–15 Schuß in der Minute, je nach dem Kaliber und ob der Verschluß selbstthätig abfeuert oder ob mit der Abzugsschnur abgefeuert wird. Bis zum 8,4 cm Kaliber ist das Geschoß mit der Kartusche verbunden, Einheitspatrone, darüber hinaus nicht. Bis zum 5 cm Kaliber haben die Geschütze keinen Rücklauf, darüber hinaus ist er aus technischen Gründen notwendig, jedoch so gering, daß die Bedienung durch ihn nicht aufgehalten wird. Erstere Geschütze liegen (Fig. 1) in einer Pivotgabel, die in einem auf dem Oberdeck des Schiffs festgebolzten Untersatz drehbar ist. Die Geschützrohre größern Kalibers liegen in Lafetten mit hydraulischen Bremsen (Fig. 2), welche den Rücklauf auf etwa Kaliberlänge beschränken. Die beiden Bremscylinder liegen außen an den Wänden der Oberlafette, die Bremskolben sind an der Unterlafette befestigt, auf deren stark nach vorn geneigter Gleitbahn die Oberlafette zurück- und selbstthätig nach dem Schusse sofort wieder vorgleitet. Der richtende Kanonier sitzt auf dem Reitsitz hinter dem G., der beim Nehmen der Seitenrichtung mit dem rechten Handrad sich mit herumdreht; das linke Handrad gibt die Höhenrichtung. Die Lafetten der verschiedenen Geschützkaliber unterscheiden sich fast nur durch ihre Größenmaße. Die Geschütze feuern gußeiserne und Stahlgranaten, die bis zu 7,5 cm Kaliber 650 m Anfangsgeschwindigkeit haben. Die 5 cm Stahlgranate durchschlägt 7,5 cm dicke Stahlplatten. In der französischen Marine sind die Schnellfeuerkanonen von Hotchkiß, in der englischen die von Armstrong im Gebrauch. Zum Gebrauch in Festungen hat das Grusonwerk in Buckau bei Magdeburg Schnellfeuerkanonen in Verbindung mit eigentümlichen Panzerungen gebaut, welche vom Oberstleutnant a. D. Schumann konstruiert sind. Sie vertreten gleichzeitig die Stelle der Lafetten und sind deshalb Panzerlafetten (s. d., Bd. 17). Außerdem hat das Grusonwerk ein 5,3 cm schnell feuerndes Feldgeschütz hergestellt, dessen Rücklauf durch eine Nabenbremse gehemmt wird. Das Schildzapfenstück der Lafette, in welchem das Geschützrohr ruht, ist zum Nehmen der Seitenrichtung um einen senkrechten Zapfen oberhalb der Lafettenachse drehbar. Der senkrecht bewegliche Verschlußkeil wird durch Heben und Senken eines Hebels an der rechten Außenseite des Rohrvierkants geschlossen und geöffnet, wobei er selbstthätig alle Verrichtungen des Auswerfens, Spannens und Abfeuerns ausführt. Die größte Schnellfeuerleistung hat Maxim mit seinem Schießautomaten (Selbstschießer) erreicht, bei welchem die Kraft des Rückstoßes als Arbeitskraft zum Öffnen des Verschlusses, Ausziehen und Auswerfen der Hülsen, Schließen und selbstthätigen Abfeuern ausgenutzt wird. Durch eine Vorrichtung kann der Mechanismus des Abfeuerns ausgeschaltet werden, wenn letzteres durch den Schützen mit der Hand geschehen soll. Das G. hat nur einen Lauf, trotzdem sind bei einem Versuchsgeschütz vom Gewehrkaliber (11,42 mm) 700 Schuß in der Minute erreicht worden. Der Rückstoß treibt den Verschlußblock zurück, welcher hierbei auszieht, die Zubringervorrichtuug in Thätigkeit setzt und mit Hebelübertragung eine Feder spannt, welche selbstthätig nach den ausgeführten Ladevorrichtungen den Verschluß wieder vorschiebt und abfeuert. Die Patronen sind auf einem Band befestigt und werden von der rechten Seite in die Waffe eingeführt und selbstthätig nachgezogen. Die größere Feuergeschwindigkeit macht eine beständige Kühlung des Laufs notwendig, zu welchem Zweck der Lauf derart mit einer Hülse umgeben ist, daß zwischen beiden ein gewisser Zwischenraum bleibt. In denselben wird beim Schießen selbstthätig aus einem untenstehenden Gefäß Wasser geschöpft, welches beim nächsten Schuß als verbraucht abfließt. Stanley hat sich für seine gegenwärtige (1889) Afrikareise mit solchen Geschützen von 11,42 mm Kaliber ausgerüstet, welche 19,05 kg schwer sind, auf einem leichten, dreibeinigen Gestell liegen und durch einen Stahlblechschirm gegen Gewehrfeuer geschützt sind. Die gebräuchlichsten Maxim-Geschütze sind die von 8 und 11 mm Kaliber, Österreich, Italien und England haben sie eingeführt. Die nach dem System Longridge gefertigten Drahtkanonen sind in den meisten Ländern mit Erfolg versucht worden. Sie bestehen aus einem Kernrohr, auf welches Stahldraht in einer größern Anzahl Schichten mit gewisser, zunehmender Spannung aufgewickelt und mit einem Schutzmantel umgeben ist. In Frankreich hat man mit gleich gutem Erfolg Stahlband verwendet. Eine in Elswick gefertigte 23 cm Drahtkanone schoß eine 173 kg schwere Granate mit 122 kg Pulverladung bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 701 m 19,200 m weit. Die Herstellung der Drahtkanonen ist schwierig und kostspielig, was ihrer Einführung bisher entgegenstand, obgleich sie an Widerstandsfähigkeit gegen Gasspannungen alle bisherigen Konstruktionen übertreffen. Die mit dem Verfeuern von Brisanzgeschossen (s. d., Bd. 17) verbundene Gefahr soll durch die von Zalinski erfundene Dynamitkanone dadurch beseitigt werden, daß das Geschoß mittels stark verdichteter Luft fortgetrieben wird. Mit dem aus Stahlblech gefertigten Geschützrohr sind durch Zuleitungsrohre die Luftcylinder verbunden, in welchen von einer Dampfmaschine die Luft verdichtet wird. Die 6–12 Kaliber langen Geschosse sind am Boden mit einem elastischen Puffer zur Abschwächung des Stoßes wie mit angesetzten Schraubenflügeln zur Herbeiführung einer Drehung um die Längenachse versehen und mit großen Ladungen Dynamit (daher der Name des Geschützes) gefüllt. Die 34 cm Kanone feuert Geschosse mit 227 kg Dynamitsprengladung mittels Luftdrucks von 70 Atmosphären auf etwa 2000 m. Die Dynamitkanone fand bisher besonders in Amerika in der Küstenverteidigung sowie versuchsweise auf dem für diesen Zweck erbauten Kreuzer Vesuvius Anwendung, haben hier aber nicht den Beifall der Versuchskommission gefunden und sind infolgedessen von den Schiffsarmierungen ausgeschlossen. Man hat Dynamitkanonen in vielen Kalibern bis zu 40 cm versucht. Versuchsstation Fort Lafayette bei New York. Neuerdings ist von Hicks in New York eine Wurfmaschine konstruiert worden, welche mit Dynamit gefüllte Geschosse durch die Zentrifugalkraft schnell rotierender Scheiben unter bestimmten Winkeln auf gewisse Entfernungen fortschleudern soll. Für Versuche mit dem Lyman-Haskelschen Accelerationsgeschütz bewilligte der Kongreß 150,000 Dollar; sie verunglückten vollständig und zeigten die Wertlosigkeit der Idee. Der französische Oberst de Bange, bekannt durch die nach ihm benannte Geschützverschlußliderung, hat ein 34 cm Geschützrohr (auf der Ausstellung in Antwerpen) gebaut, dessen Stahlringe zur Erhöhung der Zerreißfestigkeit außen bikonische Form hatten; das Rohr zersprang beim dritten Probeschuß. Vgl. Maudry, Mitrailleusen und schnell feuernde Kanonen („Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens“, Heft 4 u. 5, Wien 1888); Monthaye, Krupp und de Bange (deutsch, Berl. 1887); Bender, Die Bewegungserscheinungen der Langgeschosse und ihre Beziehungen zum Feldgeschütz der Zukunft (Darmst. 1888); Grabe, Die Panzergeschütze (Berl. 1884).

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0382.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2024)