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Seite:Meyers b17 s0421.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

und Gewicht der Ladung sind unbekannt. Die Ladung gibt dem Geschoß die große Anfangsgeschwindigkeit von 630 m. Die Patrone wiegt 29 g. Eine Patrone, deren Hülse nicht aus Metall gefertigt ist, soll sich in der Einführung befinden; das Geschoß derselben soll größere Durchschlagskraft besitzen als das alte, hat also wahrscheinlich statt des Nickel- einen Stahlmantel erhalten. Der Lauf hat vier Züge von 24 cm Dralllänge. Das Gewehr mit vollem Magazin wiegt 4,415 kg, das Seitengewehr 0,4 kg, das Gewehr ohne letzteres ist 1,307, mit Bajonett 1,825 m lang. Die Visiereinteilung reicht bis 2000 m, der bestrichene Raum gegen Infanterie ist 400 m. Dieses Gewehr, welches ohne Grund den Namen des Direktors der Schießschule in Châlons sur Marne, Oberst Lebel, führt, trägt die Zeichen übereilter Einführung, Magazin und Verschluß sind veraltet. Die Kavallerie soll mit einem Karabiner gleichen Systems bewaffnet werden. Die gesamte Infanterie sollte 1. April 1889 mit Lebel-Gewehren bewaffnet sein.

England hat ein Gewehr von 7,6 mm Kaliber mit Kapselmagazin, welches aus dem Magazin Lees (s. Bd. 8, S. 108) hervorging, aber acht Patronen in zwei Reihen nebeneinander aufnimmt, eingeführt. Italien hat 1887 die Umänderung des Vetterli-Einladers von 10,4 mm Kaliber in ein Repetiergewehr nach der Konstruktion des Majors Vitali begonnen. Vor dem Abzugsbügel ist unter dem Gewehr ein Kapselmagazin für vier Patronen befestigt, in welches zum Magazinfeuer die Patronenpakete eingesetzt werden. Für gewöhnlich braucht man Einzelladung. Versuche mit Gewehren von 8 mm Kaliber sind gegenwärtig im Gang.

In Österreich wurde 1886 ein Repetiergewehr von 11 mm Kaliber nach dem System Mannlicher eingeführt, aber bald durch das Repetiergewehr M/88 von 8 mm Kaliber des verbesserten Mannlicher-Systems ersetzt. Es hat einen Geradezugverschluß und ein anhängbares Kapselmagazin für fünf Patronen, welches aus dem Magazin Lees hervorgegangen ist. In dem Verschlußgehäuse g (Fig. 5 u. 6) ist das cylindrische Verschlußstück a vor- und zurückschiebbar; in letzteres ist vorn der Verschlußkopf b eingeschraubt, hinten das Griffstück d eingeschoben, an dessen rechter Seite hinten die Handhabe mit Kugelknopf k sitzt. Im Verschluß- und Griffstück liegt der Schlagbolzen, auf den hinten die Schlagbolzenmutter h mit Flügelansatz aufgeschraubt ist. An der rechten Seite des Verschlußstücks sitzt außen der Auszieher s, er gleitet in einer Nute des Verschlußgehäuses. Der Riegel c, um ein Gelenk am Verschlußstück drehbar, hat an der innern Fläche einen Einschnitt, in welchen der Keil i des Griffstücks mit seinen keilförmigen Seitenflächen derart eingreift, daß er den Riegel mit seinem hintern Ende immer tiefer nach unten drückt, je weiter er in denselben hineintritt (Fig. 6). Hierbei senkt er sich in einen Ausschnitt des Verschlußgehäuses und stemmt sich gegen den Ansatz w des Widerlagers, wenn der Verschluß vollständig geschlossen ist. Beim Öffnen des Gewehrs zieht sich zunächst das Griffstück aus dem Verschlußstück und hierbei der Keil aus dem Riegel, letztern so weit hebend, daß er über das Widerlager w hinweggleiten kann. Auf dem Boden des am Gewehr vor dem Abzugsbügel befestigten Magazinkastens e liegt der Zubringer z mit Zubringerplatte p, deren Wirkungsweise aus den Figuren ersichtlich ist. Das Magazin m umfaßt die Patronen nur bis zur halben Höhe der Hülsen und wird mit seinen fünf Patronen von obenher eingesetzt und durch den Magazinhalter q gehalten. Der Zubringer drückt die Patronen so weit nach oben, daß beim Vorschieben des Verschlußstücks eine Patrone durch letzteres in den Lauf geschoben wird. Hierbei werden die Flügel der Verschlußschraube vom Abzugsfederstollen l aufgehalten (Fig. 6) und dadurch die Schlagfeder gespannt. Ein Druck gegen den Abzug zieht den Stollen nach unten, der Schlagbolzen wird frei und schnellt nach vorn. Beim Öffnen reißt der Auszieher s die Patronenhülse aus dem Lauf. In dem Augenblick, in dem die letzte Patrone in den Lauf geschoben wird, verliert das Magazin seinen Halt und fällt selbstthätig durch die Ausfallöffnung o im Boden des Magazinkastens aus dem Gewehr. Jetzt kann letzteres auch mit einzelnen Patronen geladen werden; da dies ebensoviel Zeit erfordert wie das Einsetzen eines Magazins, so ist das Magazinfeuer die Regel. Der Schütze braucht also nach dem Schuß nur den Verschluß geradlinig zurückzuziehen und sofort wieder vorzuschieben, um sogleich den nächsten Schuß abgeben zu können. Das 32 mm (4 Kaliber) lange Geschoß, aus dem Stahlmantel und Hartbleikern bestehend, wiegt 15,8 g und erhält durch die Ladung von 4 g Gewehrpulver M/86 eine Anfangsgeschwindigkeit von 530 m. Eine Patrone wiegt 29,7, ein Magazin mit fünf Patronen 179 g, zwei Magazine stecken in einem Pappkästchen. Der Lauf hat vier Züge von 25 cm Dralllänge. Das Gewehr wiegt 4,4 kg und ist ohne Bajonett 1,281 m lang. Als Bajonett dient das dolchartige Seitengewehr, dessen Klinge 25 cm lang ist. An Stelle des bisherigen Gewehrpulvers soll demnächst ein rauchloses Pulver treten.

Über das in Deutschland eingeführte und demnächst zur Ausgabe gelangende Gewehr M/88 vgl. die Beschreibung auf dem besondern Textblatt zur Tafel. Anzeichen sprechen dafür, daß Italien auch das deutsche Gewehr M/88 angenommen hat. Dasselbe erreicht bei 32° Erhöhung seine größte Schußweite von 3800 m, das Visier reicht bis 2050 m. In der außerordentlich gestreckten Flugbahn, welche sich bis 500 m noch nicht über Mannshöhe von der Erdoberfläche erhebt (keinen unbestrichenen Raum hat), liegt die Bedingung für eine große Zahl von Zufallstreffern. Die Geschoßgeschwindigkeit auf 25 m vor der Mündung beträgt 620 m. Daher gelten nach der Schießvorschrift für die Infanterie vom 21. Nov. 1889 Entfernungen bis zu 600 m als nahe, von 600–1000 m als mittlere, darüber hinaus als weite. Es kann von jedem Schuß ein Treffer erwartet werden bis 250 m gegen alle Ziele, bis 350 m gegen einzelne knieende Gegner, bis 500 m gegen eine knieende Rotte, bis 600 m gegen eine stehende Rotte und einzelne Reiter. Über 1000 m darf das Feuer nur gegen solche Ziele angewendet werden, welche hinreichende Ausdehnung in der Höhe, Breite und Tiefe haben. Vermöge seiner großen lebendigen Kraft und Formfestigkeit ist die Durchschlagsfähigkeit des Geschosses sehr groß; auf 100 m Entfernung werden 80, auf 400 m 45, auf 800 m 25, auf 1800 m noch 5 cm dickes, trocknes Tannenholz, auf 300 mmm dicke Eisenplatten, auf 100 m 4–5 hintereinander stehende Leute, auf 400 m 3–4 und auf 800–1200 m noch 2–3 durchschlagen; diese Schußwirkung wird selbst dann erzielt, wenn die stärksten Knochen getroffen werden. Schießversuche gegen Schädel auf 600 m ergaben ganz reine Lochschüsse ohne Spuren einer Pressung von Gehirnteilen. Da bei kleiner Eingangsöffnung des Schußkanals in den menschlichen Körper und fast schlitzartiger Auszugsöffnung alle gefährlichen Zerreißungen, Verschmutzungen und Knochenzersplitterungen unterbleiben, so werden die Verwundungen im allgemeinen

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0421.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2024)