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Seite:Meyers b17 s0807.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Maschine wirken lassen, so würde diejenige Arbeitsleistung, deren sie bei der Expansion auf die Atmosphärenspannung fähig ist, vollständig verloren gehen. Würde man aber diese Luft (von gewöhnlicher Temperatur) in einer Luftmaschine mit Expansion Arbeit verrichten lassen, so müßte in gleichem Maß, wie vorher bei ihrer Verdichtung Wärme entwickelt wurde, bei ihrer Ausdehnung Wärme gebunden, also Kälte erzeugt werden, und zwar würde z. B. bei der Expansion von 4 auf 1 Atmosphäre eine Abkühlung von ca. 70° eintreten. Diese Eigenschaft der Druckluft war von jeher ein großes Hindernis ihrer Verwendung, weil jede Luft wasserdampfhaltig ist, und zwar bei höherer Temperatur in höherm Grad als bei niederer, und infolge davon bei der angegebenen starken Abkühlung eine Ausscheidung von Wasser stattfindet, welches bei der niedrigen Temperatur gefriert und nun in Form von Eisansätzen teils die Auspuffröhren der Maschine verstopft, teils schon im Cylinder oder in der Steuerung derselben störend auftritt. Der Gang der Maschine würde dadurch erschwert oder ganz behindert werden. Wird hingegen die komprimierte Luft vor dem Eintritt in die Maschinen um so viel erwärmt, daß ihre Temperatur bei der Expansion nicht bis auf 0° herabgeht, so ist jede Eisbildung ausgeschlossen und ein regelmäßiger Gang der Maschinen gesichert. Ferner findet durch die mit der Expansion verbundene Temperaturerniedrigung eine Zusammenziehung der Luft, also eine Druckverminderung, statt, welche zu der durch die Expansion an sich bei gleichbleibender Temperatur hervorgebrachten Druckverminderung hinzukommt und einen entsprechenden Verlust an komprimierter Luft, also auch an Arbeit, bedeutet. Dieser Luftverlust wird durch die Erwärmung der Luft gleichfalls vermieden. Die Vorwärmung der Luft hat also den doppelten Zweck, einerseits die Eisbildung zu verhüten, anderseits geringern Luftverbrauch, bez. größere Kraftausnutzung zu erzielen. Natürlich erfordert diese Erwärmung einen gewissen Kostenaufwand, der von dem Grade der Erwärmung abhängig ist. Bei der in Paris üblichen Erwärmung auf 150–170° C. sind diese Kosten jedoch so gering (ca. 0,4–0,8 Pf. pro Stunde und Pferdekraft oder 1/301/40 der gesamten Luftkosten), daß sie fast vernachlässigt werden können, während der erzielte Gewinn ein ganz beträchtlicher ist (z. B. bei einer zehnpferdigen Luftmaschine werden statt 38 cbm Luft von 17° C. pro Stunde und Pferdekraft nur 22 cbm von 170° C. gebraucht). Man könnte nun einfach, um eine noch bessere Kraftausnutzung zu erzielen, noch höhere Wärmegrade anwenden, doch ist das wegen der schädlichen Einwirkung höherer Temperaturen auf die Luftmaschinen nicht ratsam. In neuester Zeit ist aber von Popp ein Mittel zur Vermehrung der Wärmezufuhr ohne wesentliche Temperaturerhöhung eingeführt, darin bestehend, daß in die Vorwärmöfen Wasser eingespritzt wird, welches sich in Dampfform mit der Preßluft mischt. Es wird dadurch eine größere Leistungsfähigkeit der Maschinen, bez. ein der zugeführten Dampfmenge entsprechend verminderter Luftverbrauch erzielt selbstverständlich auf Kosten eines größern Brennstoffverbrauchs (etwa 0,25–0,3 kg Kohle pro Stunde und Pferdekraft im Wert von ca. 0,4–0,5 Pf.). Je mehr Wasser eingespritzt wird, desto höher wird die Auspufftemperatur der verbrauchten Luft. Sie kann bis über 100° gebracht werden, so daß die Auspuffdämpfe noch zu Heizzwecken verwendet werden können.

Die Erwärmung der Luft erfolgt in einfachen Öfen, bestehend in einem doppelwandigen Gußeisencylinder a (Fig. 1 u. 2), an welchen Radialrippen b angegossen sind. Letztere sind abwechselnd oben und

Fig. 1. Vertikalschnitt.
Fig. 2. Horizontalschnitt.
Fig. 1 und 2. Popps Luftwärmofen.

unten durchbrochen, so daß die Luft durch sie zwischen den Doppelwänden in Schlangenlinien auf- und abgeführt wird und dabei von den Wandungen, welche durch das auf dem Rost c brennende Kohlen- oder Koksfeuer (bei kleinen Öfen event. durch eine Gasflamme) erwärmt werden, Wärme aufnimmt. Die Brennmaterialaufschüttung erfolgt von oben nach Abnahme des Deckels d, die Abführung der Verbrennungsgase durch Rohr e in irgend einen Schornstein. Die Luft tritt bei f ein, bei g aus. Zum Anheizen und zur Steigerung des Feuers ist im Rauchrohr ein kleiner Ejektor angebracht, welcher mit Preßluft aus der Leitung betrieben wird. Die Abmessungen der Öfen sind so gering (750 mm hoch bei 450 mm Durchmesser für eine 40pferdige Maschine), daß ihre Unterbringung keine Schwierigkeiten verursacht.

Von ganz außerordentlicher Tragweite erscheint die Verwendung der Luftmaschinen für die Erzeugung von Kaltluft. Durch den Grad der Vorwärmung der Luft kann man die Auspufftemperatur der Luft beliebig regeln, also mit jeder Luftmaschine auch Temperaturen unter 0° hervorbringen. Für eine solche Verwendung der Luftmaschinen ist jedoch möglichste Entwässerung der Luft unumgänglich notwendig, um Eisbildung innerhalb der Maschine zu vermeiden. Zu dem Zweck wird die Luft, nachdem sie in den Windkesseln und den in die Leitung eingeschalteten Wasserabscheidern den größten Teil ihres Wassergehalts verloren hat, noch vor ihrem Eintritt in die Luftmaschine in dem mit Kaltluft zu versehenden

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 803. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0807.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2024)