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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

war H. Professor für Psychologie und Pädagogik an der John Hopkins-Universität in Baltimore und erhielt im letztgenannten Jahre von einem reichen Bürger in Worcester, John Clark, die Aufforderung zur wissenschaftlichen Leitung der von diesem zu begründenden Universität. In dessen Auftrag bereiste er 1888–89 ganz Europa, um die Einrichtungen namentlich der physiologischen und psychologischen Institute kennen zu lernen, und schuf dann in der Clark University zu Worcester (Massachusetts) eine Anstalt, wie sie die biologischen Wissenschaften sonst nirgendwo besitzen. Halls psychologische Untersuchungen sind nur in Zeitschriften, besonders im „Mind“ und in dem von ihm gegründeten und herausgegebenen „American Journal of Psychology“, erschienen, außerdem schrieb er: „Aspects of German culture“ (Boston 1881); „Methods of teaching history“ (2. Aufl., das. 1885); „Hints toward a select and descriptive bibliography of education“ (mit Mansfield, das. 1886).

Halluzination, die irrtümliche Verlegung eines subjektiven Vorstellungsbildes als Wahrnehmung eines thatsächlich gar nicht vorhandenen Objekts nach außen. Gewöhnlich treten Halluzinationen nur infolge heftiger innerer Reize (Blutüberfüllung des Kopfes u. dgl.) oder bei Personen auf, welche an erheblichen Nerven- und bestimmten Geistesstörungen leiden. Indessen hat sich die Aufmerksamkeit der Psychologen in den letzten Jahren darauf gerichtet, daß vielfach von gesunden Personen berichtet wird, sie hätten ein- oder zweimal in ihrem Leben und zwar gleichzeitig mit einem in der Ferne stattfindenden wichtigen Ereignis eine scheinbar ursachslose Sinnestäuschung erlebt. Ein gesunder Mann, A., sitzt z. B. vormittags ruhig an seinem Schreibtisch und erblickt plötzlich, wie er aufsieht, die Gestalt seines Bruders in voller Deutlichkeit. Als er die Gestalt ansprechen will, verschwindet sie. Einige Stunden später erhält er ein Telegramm des Inhalts, daß sein Bruder etwa zu der Zeit, wo er selbst die H. hatte, durch einen Sturz gestorben sei. Während der Volksglaube dazu neigt, solche Erfahrungen als „Geistererscheinungen“ aufzufassen, erklärt die Wissenschaft sie für vorübergehende Halluzinationen gesunder Personen. Demgemäß beschloß der 1889 in Paris tagende internationale Kongreß für physiologische Psychologie durch eine umfassende Statistik festzustellen: 1) in welchem Zahlenverhältnis ungefähr die jemals von einer derartigen H. betroffenen und sonst normal veranlagten Individuen zu der Masse der übrigen stehen; 2) in welchem Umfange etwa die Sinnestäuschungen zeitlich zusammenfallen mit bemerkenswerten Ereignissen (Lebensgefahr, Tod u. dgl.) in dem Leben desjenigen, dessen Gestalt der Wahrnehmende zu sehen oder dessen Stimme er zu hören glaubte. Zu diesem Zwecke wurden Fragebogen verteilt mit der Hauptfrage: „Haben Sie jemals, wenn Sie vollständig wach zu sein glaubten, den lebhaften Eindruck gehabt, ein lebendes Wesen oder einen leblosen Gegenstand zu sehen, oder zu hören, oder zu fühlen, ohne daß dieser Eindruck, soweit Sie entdecken konnten, einer äußern Ursache zuzuschreiben war?“ Diese Frage ist an gesunde und mehr als 21 Jahre zählende Personen aller Berufsklassen zu richten, ohne Rücksicht darauf, ob man von dem einzelnen eine bejahende oder verneinende Antwort zu erwarten hat, denn ein „Nein“ ist für die Zwecke der Erhebung ebenso wichtig wie ein „Ja“. Derjenige, der von sich angibt, er habe einmal ein solches Erlebnis gehabt, wird dann mittels Fragebogens B um Auskunft über folgende Punkte ersucht: 1) Was sahen, oder hörten, oder fühlten Sie, und wann und wo geschah es? 2) Wie alt waren Sie damals, und wie waren Sie gerade zu jener Stunde beschäftigt? 3) War der Eindruck derjenige einer Person, die Sie kannten, und was that diese Person in Wirklichkeit zu der gleichen Stunde? 4) Waren andre Personen anwesend, und nahmen sie teil an Ihrer H.? 5) Haben Sie öfters solche Halluzinationen gehabt? 6) Können Sie auf Grund ärztlicher Untersuchungen Mitteilungen über Ihren Gesundheitszustand machen? Mit der Verteilung der Fragebogen wurden die psychologischen Gesellschaften aller Länder betraut. Die Ergebnisse der Statistik sollen dem zweiten internationalen Psychologenkongreß vorgelegt werden, der im August 1892 in London statthaben wird. Vorläufig sind bereits die bis 1. Juli 1891 reichenden Resultate Englands und Frankreichs veröffentlicht worden, ohne daß naturgemäß an diese rein thatsächlichen Berichte theoretische Erörterungen über die Ursachen der H. geknüpft worden sind. Für England stellt das Verhältnis sich so:

Antworten Nein Ja Zusammen
von Männern 3854 365 4219
   Frauen 4360 697 5057
Zusammen: 8214 1002 9276

Von den eingelaufenen Antworten sind also 11,45 Proz. bejahend ausgefallen, und von diesen betreffen 603 den Gesichts-, 292 den Gehörs- und 80 den Tastsinn. Die übrigen beziehen sich auf mehrere Sinne zugleich und lassen sich danach einteilen, ob die H. mit einem wichtigen, in der Ferne stattfindenden Ereignis zusammenfiel oder nicht. Sprechen wir in dem ersten Falle von einer begleiteten, im zweiten Falle von einer unbegleiteten H., so wird die nachstehende Tafel auch ohne nähere Erläuterungen verständlich sein.

Begleitete Halluzinationen, darstellend:
  Lebende Person Tote Person Tier Objekt Ins­gesamt
Gesicht und Gehör 19 3 1 3 26
Gesicht und Getast 2 2
Gehör und Getast 1 1
Gesicht, Gehör, Getast 4 3 7
Zusammen: 26 6 1 3 36
Unbegleitete Halluzinationen, darstellend:
  Lebende Person Tote Person Unbe­kannte Person Objekt Ins­gesamt
Gesicht und Gehör 12 23 20 10 65
Gesicht und Getast 4 6 5 1 16
Gehör und Getast 3 3 4 3 13
Gesicht, Gehör, Getast 2 2 7 1 12
Zusammen: 21 34 36 15 106

Ähnlich sind die Ergebnisse der in Frankreich angestellten Erhebungen, so daß wir uns mit der Wiedergabe der Haupttafel begnügen können.

Antworten Nein Ja Insgesamt
von Männern 1702 260 1962
   Frauen 648 212 860
Zusammen: 2350 472 2822

Hamburg. Die Bevölkerung des Gebiets der freien Hansestadt H. betrug nach der Volkszählung vom 1. Dez. 1890: 622,530 Seelen (gegen 518,620 im J. 1885) und hat seit 1885 um 103,910 (20 Proz.)

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0435.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2023)