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Seite:Meyers b19 s0443.jpg

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

auf den Genuß von Wein zu gunsten des Bieres und des Branntweins verzichten müssen. Die Ermäßigung des Zolles auf die an sich schon viel billigern italienischen Verschnittweine wird voraussichtlich eine Steigerung des deutschen Weinkonsums zum Vorteil der italienischen Produzenten zur Folge haben, ohne jedoch den bessern deutschen Weinen Abbruch zu thun. Denn für die bessern Weine vermehren die Handelsverträge keineswegs die ausländische Konkurrenz. Am lebhaftesten und vielleicht auch am meisten berechtigt waren die Klagen der süddeutschen Baumwollspinner. Durch die Zollermäßigungen auf Baumwollgarne, welche der Schweiz und damit den meistbegünstigten Staaten (es handelt sich hier vorzugsweise um England, dessen hochentwickelte Baumwollspinnereien unter den denkbar besten natürlichen Bedingungen arbeiten) gewährt sind, werden die Preise der in Deutschland hergestellten Garne infolge der Konkurrenz des Auslandes auf den heimischen Märkten nicht unerheblich gedrückt. Doch darf auch nicht übersehen werden, daß die süddeutsche Baumwollspinnerei sich während des zwölfjährigen erheblichen Zollschutzes keineswegs in der Weise, wie man 1879 erwartete, gehoben hat, und daß die neue Zollermäßigung vielen lebensfähigen deutschen Industrien, namentlich der auf die Ausfuhr angewiesenen Halbseidenindustrie des westlichen Deutschland, welche zur Herstellung ihrer Stoffe feine Baumwollgarne in nicht unerheblichem Maße verarbeitet, durch Verminderung der Produktionskosten zu großem Vorteil gereicht.

Nach einer in der amtlichen Denkschrift zu den Handelsverträgen aufgestellten Berechnung wird unter der Annahme einer gleichbleibenden Einfuhr aus dem Auslande der jährliche Verlust, welcher durch die den Vertragsstaaten eingeräumten Zollermäßigungen, bez. Befreiungen entsteht, auf 9 Mill. Mk., der jährliche Gesamtverlust infolge der gleichen Behandlung der in Deutschland meistbegünstigten Staaten mit den Vertragsstaaten auf 17–18 Mill. Mk. geschätzt. Nun wird aber wahrscheinlich die Einfuhr sowohl aus den Vertragsstaaten als aus den meistbegünstigten Ländern infolge des günstigern deutschen Zolltarifs in den nächsten 12 Jahren in solchem Maße steigen, daß, wenn überhaupt, sich nur ein sehr geringer Ausfall im Budget des Deutschen Reiches ergeben wird. Ein weiterer Einwand gegen die H. ist daraus entnommen worden, daß die neuen Zollermäßigungen, bez. Befreiungen sich nicht auf die Vertragsstaaten beschränken, sondern weit darüber hinaus zu gunsten aller derjenigen Staaten Anwendung finden, welche noch nach dem 1. Febr. 1892 in Deutschland das Recht der Meistbegünstigung genießen. Insbesondere fallen alle neuen Zollerleichterungen auch Frankreich auf Grund des Art. 11 des Frankfurter Friedenvertrags ohne jede Gegenleistung, und den Vereinigten Staaten von Nordamerika auf Grund eines preußisch-nordamerikanischen Vertrags von 1828 in den Schoß. Es ist nun der deutschen Regierung gelungen, von den Vereinigten Staaten das für die deutsche Ausfuhr wichtige Zugeständnis zu erlangen, daß der deutsche Zucker, dessen Exportwert nach Amerika etwa 60 Mill. Mk. jährlich beträgt, von der enormen, durch die Mac Kinley-Bill bewirkten Zollerhöhung verschont bleiben solle. Im übrigen darf man nicht außer acht lassen, daß jede einem Vertragsstaat gewährte Zollerleichterung dem Ausfuhrbedürfnis eben dieses Staates wesentlich entspricht. Es werden daher nur ausnahmsweise die meistbegünstigten Nichtvertragsstaaten aus jenen den Vertragsstaaten eingeräumten Zollerleichterungen Vorteil ziehen. Für die Herstellung landwirtschaftlicher Produkte, für die Erzeugung von Rohstoffen und für die Fabrikation von Handelsartikeln sind gewisse natürliche Bedingungen erforderlich, welche in den einzelnen Ländern keineswegs in gleicher Weise gegeben sind. Abgesehen davon aber ist es für die Konsumenten nur ein Vorteil, wenn möglichst vielen Staaten die Ermäßigungen des deutschen Zolltarifs zu gute kommen. Auf Grund eines besondern Reichsgesetzes wird sogar das aus nicht meistbegünstigten Ländern stammende Getreide, soweit dasselbe nach amtlicher Feststellung 1. Febr. 1892 innerhalb des deutschen Zollgebiets in Freilagern, öffentlichen Zollniederlagen etc. sich befand, namentlich behufs Vermeidung schwieriger Zollrevisionen bis 30. April 1892 einschließlich zu den neuen ermäßigten Zollsätzen verzollt.

Die neuen H. sind sämtlich gleich den in den 80er Jahren abgeschlossenen Handelsverträgen Meistbegünstigungsverträge. Doch unterscheiden sie sich von der Mehrzahl der in den 80er und teilweise 70er Jahren abgeschlossenen Handelsverträge dadurch, daß in den neuen Verträgen die Meistbegünstigungsklausel einen festen Inhalt erhält durch weitgehende Zollermäßigungen, bez. Zollbefreiungen, während in den 70er und 80er Jahren die Meistbegünstigung, da eine gleichzeitige Bindung der Tarife zumeist nicht erfolgte, vielfach gegenstandslos war, ja sogar gerade diese mitunter zu einer Erhöhung der Zolltarife aus politischen Gründen führte. Außer der Regelung des Zolltarifs bezwecken die neuen H. auch eine allgemeine Erleichterung des internationalen Verkehrs. Dem entsprechend treffen sie eingehende Bestimmungen über die See- und Küstenschiffahrt, die Benutzung der Häfen, der binnenländischen Wasserstraßen, der Eisenbahnen (vgl. namentlich Art. 15 des deutsch-österreichischen Vertrages, wonach die ungarischen Eisenbahnrefaktien im Transitverkehr auch den deutschen Waren zu gute kommen), der Landstraßen, über die Veterinärpolizei, über Erleichterungen im Grenzverkehr, über die Zollfreiheit des Transitverkehrs und des Veredelungsverkehrs, über die Unzulässigkeit oder vielmehr beschränkte Zulässigkeit von Einfuhr- und Ausfuhrverboten, über die Ansiedelung von Angehörigen eines Vertragsstaats in dem Gebiete des andern zum Betrieb eines Gewerbes, endlich über die steuerfreie Zulassung eines einem Vertragsstaat angehörigen Handlungsreisenden zum An- oder Verkauf von Waren in dem andern Vertragsstaat und über eine Anzahl weiterer, für die Hebung und Förderung des gegenseitigen Verkehrs wichtiger Punkte. Vgl. Lotz, Die Ideen der deutschen Handelspolitik (Leipz. 1892); Matlekovits, Die Zollpolitik der österreichisch-ungarischen Monarchie seit 1868 und deren nächste Zukunft (das. 1891); Schäffle, Zur wissenschaftlichen Orientierung über die neueste Handelspolitik (in der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“, 1892).

Handfertigkeit, s. Fachschulen.

Handfeuerwaffen. Dem Leeschen System des Kastenmagazins, sei es nun in dieser oder jener Form und Einrichtung, scheint die Zukunft zu gehören; mit Ausnahme des dänischen Gewehrs Krag-Jörgensen (Bd. 18, S. 398) ist es bei allen neuern Gewehren angewendet worden. Seine Einrichtung ist aber eine andre, je nachdem das Gewehr nur ein Gelegenheitsrepetierer sein soll, oder ob grundsätzlich nur aus dem Magazin gefeuert wird. Zu den Gewehren

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0443.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2024)