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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

schneeweißem Körper. Das Tier wurde in der Nähe eines Gebüsches mit ganz weißen und einigen hellroten Blättern gefunden, auf denen es kaum erkennbar sein würde, nahm aber in der Schachtel bald die hellrötlichweiße Farbe des Bodens an. Ob die Farbenänderung willkürlich oder reflektorisch, wie beim Chamäleon, erfolgt, konnte nicht ermittelt werden. Auch bei unsern Fröschen ist das Vermögen der Farbenveränderung nach dem jeweiligen Standort viel größer, als gewöhnlich angenommen wird, und schon Pouchet zeigte, daß bei ihnen unter der Haut sowohl gelbe als blaue Chromatoblasten und darunter eine Schicht schwarzer Chromatophoren liegt, um alle möglichen Mischungen von Grau, Gelbbraun, Olivengrün und Grün zu erzeugen. Im Oktober 1890 veröffentlichte Dutartre darüber neue Beobachungen, aus denen hervorgeht, daß das Licht einen direkten Einfluß auf die Zusammenziehung der Chromatophoren äußert und durch deren Zusammziehung der Haut an hellen Orten eine lichtere Färbung verleiht. Die weißen und gelben Strahlen wirkten am stärksten, die blauen und violetten fast gar nicht ein. Die Wirkung geht reflektorisch von der Netzhaut aus, wie bei den Fischen, und während normale Frösche an hellen Orten und auf heller Unterlage sich sehr bald aufhellten und an dunkeln dunkel wurden, erfolgte dieselbe Wirkung bei geblendeten sehr viel langsamer. Gute Beispiele von antikryptischer Färbung liefern die weißen Polarraubtiere, der gestreifte Tiger und gefleckte Leopard, grüne Baumschlangen und Raubheuschrecken (Mantiden), ein großer Frosch (Ceratophrys cornuta) des tropischen Südamerika, welcher sich in einem Erdloch vergräbt, während der herausgestreckte, auf Beute lauernde Kopf genau mit der Umgebung harmoniert. Zu den allokryptischen Färbungen gehören die Maskierungen mit harmlosen Gegenständen der Umgebung, also bei Erdtieren mit Staub, Schmutz, grünen Luftalgen etc., bei Meerestieren mit abgerissenen Algen, Scherben- und Schalenfragmenten des Grundes.

II. Bei den sematischen Färbungen lassen sich wieder drei Gruppen unterscheiden, die nur das Gemeinsame haben, daß die Farben und Zeichnungen grell und auffällig sind, weil diese Tiere Vorteil davon haben, gesehen zu werden: 1) aposematische (Warnungs-) Färbung für ungenießbare und widerwärtige Tiere, wie die sehr auffallend schwarz und weiß gefärbten Stinktiere (Mephitis-Arten) Amerikas, viele rot-, gelb- und schwarzbunte Raupen und Schmetterlinge. Hier hätten wohl auch die bunten Wespen und Giftschlangen sowie die Leuchttiere besondere Unterklassen erfordert; 2) episematische oder Signalfärbungen nennt man die namentlich von Wallace in seinem neuen Buche über den Darwinismus erläuterten Zeichnungen zur gegenseitigen Erkennung. Wenn ein Kaninchen in seinen Bau hineinschlüpft, so wird es dem Jäger und allen Raubtieren durch den aufgerichteten weißen Schwanz leicht bemerkbar. Das könnte nachteilig scheinen, ist aber für gesellig lebende Tiere ein Signal von großer Wichtigkeit, weil es die andern Tiere der Herde und namentlich die jungen, ebenso wie die Warnungsrufe der Vögel und Murmeltiere, vor der nahenden Gefahr warnt. Darum finden sich diese Zeichen in Gestalt heller, weißer Flecken gewöhnlich am Hinterteil der Herdentiere (Hirsche, Antilopen, Rinder, Schafe), doch auch am Kopfe, da sie auch der gegenseitigen Erkennung in der Ferne dienen. Wenn sich die Tiere niederlegen, werden diese episematischen Zeichnungen gewöhnlich verdeckt; 3) allosematische (Trutz-) Färbungen werden die durch gemiedene Fremdkörper (nesselnde Schwämme und Seerosen) erzeugten Maskierungen genannt, wie die bekannten der Krabben und Einsiedlerkrebse (s. Bd. 18, S. 605).

III. Als pseudosematische (d. h. falsche Warnungs- oder Signal-) Färbungen können die Erscheinungen der M. im engern Sinne definiert werden, durch welche sich das Tier für eine andre schlecht schmeckende oder gefährlich anzugreifende Art ausgibt, oder endlich bei Raubtieren einen Leckerbissen vorspiegelt, der ihre Opfer herbeizieht. Man unterscheidet dabei: 1) pseudoaposematische Färbungen, welche genießbaren und harmlosen Arten das Aussehen schlechtschmeckender, harter oder gefährlicher Arten des Gebietes geben. Es werden namentlich nachgeahmt unter den Vögeln streitbare Arten, unter den Schlangen giftige, unter den Käfern harte Rüßler, übelschmeckende Leucht- und Pilzkäfer, unter den Hautflüglern Bienen, Hummeln, Wespen und Ameisen, unter den Schmetterlingen die beiden großen Abteilungen der altweltlichen Danaiden und der neuweltlichen Helikoniden sowie die beiden Weltteilen angehörigen Akräiden und manche Papilioniden. Die große Mannigfaltigkeit der hierbei möglichen Fälle hat Poulton an den indischen und afrikanischen Schmetterlingen erläutert, wobei er namentlich sieben Fälle hervorhebt, die hier, aber in andrer, verbesserter Form wiedergegeben werden: a) Gewöhnlich ahmen nur die Weibchen andre Arten nach, weil sie mehr Gefahren ausgesetzt sind als die schneller fliegenden Männchen, und werden letztern dadurch oft völlig unähnlich. So ahmt das Weibchen von Hypolymnas bolina die Euploea Core nach, während das Männchen nicht mimetisch ist. Dasselbe gilt für Hypolymnas Misippus, dessen Weibchen Danais Chrysippus nachahmt, und viele ähnliche Fälle. b) Mitunter ahmen die Weibchen einer Art in verschiedenen Gegenden zwei oder mehr geschützte Vorbilder nach, während das Männchen sich durch das ganze Gebiet gleich bleibt und zwei oder mehr ganz verschiedene Weiber besitzt. Hierher gehört vor allem das Weibchen von Papilio Merope, dessen Verhalten Bd. 18, S. 620, geschildert ist. c) Der umgekehrte Fall, in welchem mehrere verschiedene Schmetterlinge derselben Gegend dasselbe Vorbild nachahmen und dadurch unter sich ähnlich werden, ist ebendaselbst an Acraea Egina und ihren Nachahmern erläutert. d) Aber auch beide Geschlechter einer Art können als Nachahmer auftreten, und zwar derselben Form, wie z. B. diejenigen von Papilio Agestor, welche die viel häufigere und auch von andern Faltern nachgebildete ungenießbare Euploea Tytia kopieren. e) Auch können Männchen und Weibchen die unter sich verschiedenen Geschlechter einer andern Art zu Vorbildern nehmen, und so ergab Epicopeia Philenora in Indien ein Doppelgängerpaar zu Papilio Protenor. f) Ebenso können Männchen und Weibchen zwei verschiedenen Arten als ihren Vorbildern folgen und vermindern dadurch die aus der Häufigkeit der Nachbilder etwa entstehende Gefahr, erkannt zu werden. So ahmt das Männchen der indischen Elymnias leucocyma die Euploea binotata, das Weibchen dagegen die weibliche Euploea Linnaei nach, und diese beiden Euploea werden außerdem von Amesia Midama genau kopiert. Schmetterlinge, welche Wespen, Bienen und Hummeln gleichen, bieten die einheimischen Gattungen Trochilium und Sesia in großer Anzahl (s. Schmetterlinge),

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 619. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0633.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2023)