verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19 | |
|
Färbebad, welche ebenfalls sehr große Affinität zu den Farbstoffen besitzt, dann wird die S. verhindert, den Farbstoff allzu schnell aufzunehmen, sie muß denselben dem Sericin gleichsam entreißen, und wenn ihr dies schließlich auch gelingt, so verläuft doch der Prozeß so langsam, daß die Färbung sehr viel gleichmäßiger ausfällt. Ist der Farbstoff durch andre färbende Körper verunreinigt worden, so werden diese dem Sericin weniger leicht entzogen, weil die Schnelligkeit, mit der die Absorption durch das Fibroïn vor sich geht, von der Menge jedes vorhandenen Farbstoffes abhängt und die Verunreinigung doch stets zurücktritt. Das Sericin erhöht also auch die Reinheit der Farbe, freilich alles auf Kosten eines Teiles des Farbstoffs, da dieser dem sericinhaltigen Bad niemals vollständig entzogen werden kann. Bei der leichten Zersetzbarkeit des Sericins kann die gebrochene Seife nicht Handelsartikel sein, man benutzt deshalb statt derselben auch eine anhaltend gekochte Gelatinelösung oder eine Abkochung von getrocknetem Kot der Seidenraupe. Ein oft auch benutzter Zusatz von Stärkekleister zum Färbebad hat nur sehr geringe Wirkung, weil Stärkemehl nur geringe Affinität für Farbstoffe besitzt.
Seidenspinner. Die Beschränkung, welche der Seidenraupenzucht dadurch auferlegt wird, daß es bei uns nicht überall Maulbeeranpflanzungen gibt, daß außerdem der empfindliche Baum häufig durch Frühjahrsfröste leidet und in manchen Wintern ganz eingeht, hat schon früher Versuche veranlaßt, die Raupe an ein andres Futter zu gewöhnen, welche aber bisher ohne Erfolg geblieben waren. Seit 1885 von Harz in München mit größerer Umsicht angestellte Versuchsreihen haben indessen jetzt ein hoffnungsvolleres Ergebnis geliefert, so daß eine Aussicht auf volles Gelingen eröffnet ist. Von 32 neuen Futterpflanzen, die er den Raupen anbot, wurden nur 2 gefressen, und zwar Taraxacum officinale und noch lieber Scorzonera hispanica, weshalb die Versuche mit letzterer fortgesetzt wurden, obwohl alle diese Raupen zu Grunde gingen, ohne Kokons zu liefern. Im zweiten Jahre (1886) waren nach 52 Freßtagen von 1260 Raupen nur noch 32 übrig, welche, da sie keine Anstalten zum Einspinnen machten, mit Maulbeerblättern weitergefüttert wurden und dann 14 Kokons lieferten. Mit dieser nun schon ein wenig der neuen Kost angepaßten Zucht operierte Harz dann weiter, und zwar mit von Jahr zu Jahr günstiger werdendem Erfolg. Das Endergebnis war folgendes: Nach vierjähriger, von Generation zu Generation fortgesetzter Zucht gelang es, den S. an die ausschließliche Nahrung von Scorzonera hispanica zu gewöhnen, obwohl sich diese Pflanze im ersten Jahre noch keineswegs geeignet zeigte, verpuppungsfähige Raupen zu liefern, was auch nach mehrtausendjähriger ausschließlicher Maulbeernahrung kaum anders zu erwarten war. In den folgenden Jahren stieg aber die Kokonsausbeute stetig, wenn auch zunächst nur die kräftigsten Tiere den plötzlichen Nahrungswechsel überstanden. Die Ausbeute betrug: Im 1. Jahre (1886) 1,1, im 2. Jahre (1887) 7,5, im 3. Jahre (1888) 29,6 und im 4. Jahre (1889) 34,38 Proz. Nach diesen Ergebnissen kann kaum bezweifelt werden, daß man schon in den nächsten Zuchtjahren 80–90 Proz. und darüber erhalten wird, wozu allerdings große Sorgfalt und Pflege gehört, so daß, ehe die neue Rasse dem größern Publikum übergeben werden kann, nur Anstalten und besonders dafür geeignete Privatpersonen mit Eiern versehen werden sollen. Die im letzten Jahre erhaltenen Kokons ließen an Größe und Gewicht kaum etwas zu wünschen übrig; der Seidenfaden erreichte eine Länge von fast 300 m, der Querdurchschnitt stimmte mit dem des Mailänder Normalfadens genau überein, auch Glanz, Farbe und Haltbarkeit waren von diesem nicht verschieden. Die neue Nährpflanze (Scorzonera), mit welcher die Zucht vom zweiten Jahre ab ausschließlich zu Ende geführt wurde, hat den großen Vorzug, die Seidenzucht überall und ohne langdauernde Vorbereitungszeit zu ermöglichen. Während Maulbeerpflanzungen erst nach 10–20 Jahren reichlichere Blatterträge liefern, gibt die in jedem Acker- und Gartenboden gedeihende Scorzonera, im Mai ausgesäet, schon im Herbst eine mäßige, im nächsten Frühjahr eine reichliche Blatternte und kann in allen Ländern Europas bis nach Schottland und Schweden, selbst im Gebirge gezogen werden, so daß die Zucht überall möglich sein würde, sobald für die Raupen nur geeignete, heizbare Räume zur Verfügung stehen. Vgl. „Eine neue Züchtungsmethode des Maulbeerspinners mit einer krautartigen Pflanze“ (Stuttg. 1890).
Seife, gebrochene, s. Seide.
Seilbohrmethode, s. Erdbohrer.
Seismologisches Institut, s. Erdbeben.
Seitenpolmaschine, s. Elektrische Maschinen.
Selbstmord. Die Staaten des Deutschen Reiches gehören zu jenen Gebieten, in welchen die Selbstmorde mit der größten Häufigkeit auftreten; auf 1 Mill. Einw. kamen 1865–83 Selbstmörder in
Sachsen | 325 |
Dänemark | 250 |
Schweiz (1876–83) | 230 |
Württemberg | 160 |
Preußen | 154 |
Frankreich | 149 |
Österreich | 149 |
Bayern | 99 |
Schweden | 80 |
Belgien | 78 |
Norwegen | 74 |
England | 69 |
Ungarn (1877–81) | 56 |
Niederlande | 44 |
Schottland | 40 |
Italien | 39 |
Finnland | 34 |
Kroatien-Slaw. (1874–79) | 34 |
Spanien (1880–83) | 30 |
Irland | 17 |
Deutschland teilt diese Eigentümlichkeit mit ganz Zentraleuropa, nur ist dabei unverkennbar, daß die germanischen Staaten, und unter diesen die von Deutschen bewohnten, die größte Hinneigung zum Selbstmord zeigen. Doch kommt mitten unter diesen auch das französische Volk (Frankreich und Belgien) mit einer hohen Selbstmordfrequenz in Betracht. Wenn auch die Bevölkerung gerade in den deutschen Gebieten sehr dicht wohnt, so kann dies der Stammeseigentümlichkeit gegenüber wohl nicht als ausschlaggebend bezeichnet werden, da ja z. B. in England, Holland etc. die Dichte sehr groß, aber die Selbstmordziffer weit geringer ist. Diesen Ländern gegenüber weisen die übrigen romanischen Völker, die Spanier, Italiener und, nach andern Quellen zu schließen, die Portugiesen und Rumänen, sehr günstige Verhältnisse auf, indem die Selbstmordziffer hier nicht über 30–40 steigt und oft tief darunter steht. Ähnlich liegt die Sache auch in den Ländern zurückgebliebener Kultur, zu denen schon einige der vorgenannten zählen, so z. B. in Rußland, auf dem Balkan, ferner bei den Südslawen überhaupt. In der Mitte zwischen den ungünstigen und günstigen Verhältnissen befinden sich dann jene der Mischstaaten, wie England-Schottland, Niederlande, und der in ihrer Rasse untereinander verwandten Ungarn und Finnen.
Was nun die Bewegung der Selbstmordziffer in der letzten Zeit anbelangt, so ist in Preußen im neunten Jahrzehnt allerdings ein Rückgang zu verzeichnen; soll derselbe aber in seiner wahren Bedeutung
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 828. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0842.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2024)