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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

Eigenschaften der beiden in Frage kommenden Materialien ganz von selbst. In ornamentaler Wirkung erreicht, ja übertrifft V. die polierten Steine, und trotz seiner höhern Dauerhaftigkeit kostet er nur ganz bescheidene Bruchteile von den Preisen jener. Die Glashütte liefert Vitritplatten bis zu 1,5 qm und mehr Oberfläche, anderseits Verblendziegel bis 12 × 6,5 × 6,5 cm herunter. Die mehr oder minder große Durchsichtigkeit der weißen oder farbigen Glasschicht tritt in der vorteilhaftesten Weise in die Erscheinung. Während die Oberfläche Hochglanz besitzt, ist bei Verblendern die Grenzfläche zwischen Stein und Glas durch ein eigenartiges Preßverfahren reich gemustert und farbig verziert. Durch den Wechsel in der Dicke des Glases, welchen das plastische Ornament bedingt, treten aus dem Innern der Glasschicht wechselnde Farben und Blitzlichter hervor. Daß es bei solchen Mitteln leicht ist, eine gewichtige, prächtige und dabei doch edle Wirkung zu erzielen, liegt auf der Hand. In die Vitritplatten können metallene Schraubenmuttern, Ösen, Haken etc. mühelos fest eingefügt werden, so daß die Möglichkeit geboten ist, kleine Baulichkeiten schnell zu errichten, nötigen Falls ebenso schnell abzubrechen und anderwärts aufs neue aufzustellen. Die Glasfläche läßt sich selbstverständlich mit den gebräuchlichen Mitteln der Glastechnik vielfach ornamentieren. Es läßt sich Überfangglas, Ätzung, Mattierung und Gravierung mit dem Sandstrahlgebläse, Vergoldung der mattierten Flächen etc. beliebig anwenden. Die Verwertung des Vitrits ist eine ungemein vielseitige, sowohl an Fassaden als in Innenräumen, und neben der ästhetischen Wirkung ist ganz sicher auch die hygienische nicht gering anzuschlagen, da sich Glasflächen jedenfalls leichter desinfizieren lassen als der beste Ölanstrich.

Vogel, August, pädagog. Schriftsteller, geb. 3. Febr. 1843 zu Greifswald, studierte daselbst und in Tübingen Theologie und Philologie, wirkte sodann als Lehrer an den Gymnasien zu Greifswald, Wittstock, Hildesheim und Spandau und ist seit 1873 Rektor der höhern Bürgerschule (jetzt Realschule) zu Potsdam. Er schrieb: „Philosophisches Repetitorium“ (3. Aufl., Gütersl. 1886); „Methodik des gesamten deutschen Unterrichts“ (das. 1874); „Geschichte der Pädagogik als Wissenschaft“ (das. 1877); „Systematische Encyklopädie der Pädagogik“ (Eisenach 1881); „Systematische Darstellung der Pädagogik Pestalozzis“ (Hannov. 1886); „Herbart oder Pestalozzi?“ (das. 1887); „Lebensprobleme und Welträtsel“ (Gütersl. 1891); „Die philosophischen Grundlagen der wissenschaftlichen Systeme der Pädagogik“ (Einleitung in die Sammlung: „Klassiker der Pädagogik“, Langensalza 1889); „Altklassischer Dichterhain“ (das. 1890).

Vögel. In einer Untersuchung über den Luftapparat der V. (1890) hat Roché gezeigt, daß derselbe nach der Lebensweise der V. stark ändere, je nachdem es sich um gute oder schlechte Flieger, Taucher oder Brüter handelt. Trotz der Nachweisbarkeit dieser physiologischen Einwirkungen ergab sich indessen, daß der Lungenapparat tiefer liegende Verwandtschaftsbeziehungen verrät, und somit für die Einteilung der V., für Systematik und Erkenntnis der natürlichen Verwandtschaft wichtiger ist, als man bisher annahm. So fand er in der Gruppe der Raubvögel zwar das Volumen der Luftsäcke und ihrer Anhänge nach den Lebensgewohnheiten der betreffenden Tiere variierend, aber noch entschiedener traten die tiefgreifenden Unterschiede zwischen den Luftsäcken der Raubvögel und denen der Sperlings- und Schwimmvögel hervor. Weiter zeigten sich zwischen den Luftorganen der Ruderfüßer und Entenvögel neben der allgemeinen Übereinstimmung wieder trennende Charaktere. Auf Grund zahlreicher Sektionen kommt Roché zu dem Schlusse, daß der Luftapparat in den Ordnungen der V. beträchtlich, in den Familien derselben etwas weniger und noch weniger in den Gattungen variiert, während die Lebensweise, ohne die allgemeinen Grundcharaktere umzugestalten, die Entwickelung der Organe und ihrer Anhänge beeinflußt. Diese Verschiedenheiten der Ordnungen und Familien fand Roché ebenso konstant wie die durch gleiche Lebensweise erzeugten Gleichartigkeiten (Homologien), so daß er die Beschaffenheit der Luftorgane für wichtigere Einteilungsprinzipien liefernd ansieht, als sie viele bisher in den Vordergrund gestellte äußere und innere Organe hergeben. Es ist dies eine wesentliche Bestätigung der 1888 von Fürbringer in seinem klassischen Werke über die Morphologie und Systematik der V. aufgestellten Grundsätze, daß man bei der Anordnung der V. nicht so ausschließlich, wie es bisher geschehen, von der Beschaffenheit der äußern Organe (Flügel, Schnäbel und Krallen) ausgehen dürfe, sondern der Anatomie auch der innern Organe, der Entwickelungsgeschichte und Paläontologie Gehör geben müsse, weshalb Fürbringer z. B. die alte Klasse der Ratitae in ihrem bisherigen Sinne auflöste und die Tagraubvögel (Accipitres) unmittelbar neben die Störche und Rudervögel (Pelargornithes) stellte, während er die Nachtraubvögel (Eulen) mit Nachtschwalben und Raken zur Gruppe der Rakenförmigen (Coraciformes) vereinigte. Ähnliche Veränderungen in der bisherigen Anordnung hat nun auch Roché, ohne anscheinend Fürbringers Werk gekannt zu haben, von der Beschaffenheit des Luftapparats in den verschiedenen Gruppen abgeleitet.

Über die Perioden der Brütezeit hat Evans Untersuchungen an 75 verschiedenen Vögelarten angestellt, teils durch Beobachtungen in der Natur, zum größern Teil, indem er die Eier im Brütofen einer Durchschnittstemperatur von 40,5° aussetzte. Es zeigte sich, daß z. B. die Singvögel nur 12–20 Tage Brütezeit erfordern, die Haustaube 15 Tage, Enten 3 Wochen, Nikobar- und Krontaube 28 Tage, Gänse 30 Tage, Tagraubvögel 4–5 Wochen, Schwäne 35–40 Tage. Aus diesem Auszuge seiner Tabelle geht schon hervor, daß die ältere von Tiedemann aufgestellte Ansicht, nach welcher die Brüteperiode in einem unmittelbaren Verhältnis zu dem Entwickelungsgrade steht, welchen das Junge im Ei erreicht, ob sie nämlich Nesthocker oder Nestflüchter sind, nicht richtig sein kann. Denn die Tagraubvögel, Eulen und Rotgänse, haben mehr oder weniger lange Brutzeiten, und doch sind ihre Jungen beim Auskriechen sehr hilflos und unentwickelt. Evans zieht aus seinen Beobachtungen den Schluß, daß mit der Größe des Eies die Brutperiode in demselben Verhältnis zunimmt, daß aber diese Regel mit einiger Sicherheit nur auf nahe verwandte V. angewendet werden kann. Man muß demnach, wenn man die Brutzeit zweier ungefähr gleich großer Eier vergleicht, stets auch die Ordnung und die Familie berücksichtigen. Wäre die Größe allein maßgebend, dann müßte z. B. das junge Rebhuhn in kürzerer Zeit auskriechen als der junge Rabe, während es thatsächlich 4 Tage länger dauert, und so verhält es sich in vielen ähnlichen Fällen.

Vogelschutz, nationaler und internationaler, s. Naturforschergesellschaft, S. 663.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 954. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0968.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)