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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

worden. 1855 trat er als Hauptredakteur an die Spitze des „Journal des économistes“; auch leitete er kurze Zeit (1868–69) den „Constitutionnel“. Neben zahlreichen kleinern Abhandlungen in der „Revue des Deux Mondes“, im „Journal des Débats“ etc. schrieb er: „Manuel d’économie politique“ (Par. 1857, 4. Aufl. 1878); „Études de philosophie morale et d’économie politique“ (1858); „Publicistes modernes“ (2. Aufl. 1863); „La liberté du travail“ (1865); „Éléments d’économie rurale, industrielle et commerciale“ (1867); „Économie politique populaire“ (2. Aufl. 1876); „Histoire du luxe privé et public“ (1878–80, 4 Bde.; 2. Aufl. 1881); „Les populations agricoles de la France. La Normandie“ (1880) u. a., lauter durch Sorgfalt ausgezeichnete Arbeiten, in welchen B. eine freisinnige politische Richtung vertritt.

Baudry (spr. bodri), Paul, franz. Maler, geb. 7. Nov. 1828 zu La Roche sur Yon (Vendée), ging mit einer Pension seiner Vaterstadt nach Paris, wo er den Unterricht von Drölling und Sartoris genoß, und 1850 nach Rom, wo er ein Jahr lang nach klassischen Meistern, besonders nach den Venezianern, studierte. Ein Erstlingsbild: das Kind und das Glück (1853 im Luxembourg), trägt ein vollkommen venezianisches Gepräge, ebenso wie einige dekorative Arbeiten. Nach Paris zurückgekehrt, kultivierte er bis 1861 die Porträtmalerei, die er nur 1857 durch die Bestrafung einer Vestalin (Museum in Lille) und 1859 durch die Toilette der Venus unterbrach. 1861 machte er mit der Ermordung Marats durch Charlotte Corday einen Schritt auf das Gebiet der Historienmalerei, kehrte aber 1863 mit der Perle und der Woge wieder zum Idealbild zurück, welches er mit feinem Geschmack, die Mitte zwischen gemeiner Sinnlichkeit, akademischer Kälte und niedrigem Naturalismus haltend, behandelte. Nachdem er den Auftrag erhalten, das Foyer der Neuen Oper zu dekorieren, begab er sich 1864 zu erneutem Studium der italienischen Freskomaler, insbesondere Michelangelos, nach Rom. Nach zehnjähriger Arbeit war die Ausschmückung des Plafonds mit drei großen Deckengemälden (Melodie und Harmonie, Tragödie und Komödie), dem Parnaß und der Apotheose Homers an den Schmalseiten, mit zehn die Wirkungen des Tanzes und der Musik und den Triumph der Schönheit illustrierenden Kompositionen und acht Musengestalten vollendet. In den letztern ist besonders der Einfluß Michelangelos zu erkennen, während sich das Kolorit und die Auffassung der andern Gemälde mehr an Veronese und an Primaticcio halten. Was die Musen an Vornehmheit der Haltung vermissen lassen, ersetzt reichlich Baudrys Hauptwerk, die Glorifikation des Gesetzes als Deckengemälde für den Kassationshof in Paris, welches ihm die Ehrenmedaille des Salons von 1881 einbrachte. Adel der Form, eine harmonische Ruhe des lichten Kolorits und eine geistvoll und kühn aufgebaute Komposition vereinigen sich zu großartiger monumentaler Haltung. 1882 folgten eine Allegorie der Wahrheit und ein Plafond mit der Hochzeit Amors und Psyches, 1883 dekorative Malereien für Schloß Chantilly. Die Vorzüge einer ungesuchten Noblesse u. eines eleganten Kolorits zeichnen auch seine Bildnisse aus. B. ist einer der vollkommensten Repräsentanten des französischen Kunstvermögens mit seinen Tugenden und Fehlern.

Bauer, im weitesten Sinn jeder Landbewohner im Gegensatz zum Städter und zwar insbesondere ein solcher, der sich mit Landwirtschaft beschäftigt; oder, wie das preußische Landrecht (Teil II, Tit. 7, § 1) definiert, „zum Bauernstand gehören alle Bewohner des platten Landes, welche sich mit dem unmittelbaren Betrieb des Ackerbaues und der Landwirtschaft beschäftigen, insofern sie nicht durch adlige Geburt, Amt oder Rechte von diesem Stand ausgenommen sind“. Allein dieser Begriff bedarf doch noch einer nähern Abgrenzung. Denn im engern und eigentlichen Sinn versteht man unter B. nur einen solchen kleinern Landwirt, welcher auf eignem Grund und Boden wirtschaftet, also den Bauerngutsbesitzer im Gegensatz zum Pachter und zum landwirtschaftlichen Arbeiter oder Dienstboten. Abgesehen von dem Gesinde, zerfallen nämlich die Lohnarbeiter der Landwirtschaft in zwei Klassen: 1) die ungebundenen Tagelöhner, die ohne ein festes Dienst- und Arbeitsverhältnis gegen Tag- und Stücklohn landwirtschaftliche Arbeiten verrichten, sei es, daß sie mit etwas Grundbesitz angesessen sind, sei es, daß sie als sogen. Einlieger lediglich zur Miete wohnen; 2) die festen Lohnarbeiter, in den östlichen Provinzen Preußens Instleute, in Mecklenburg Hoftagelöhner, in Schottland hinds genannt, von Schmoller als „Feldgesinde“ bezeichnet, d. h. landwirtschaftliche Arbeiter, welche zu einem Gutsbesitzer in einem dauernden Dienstverhältnis stehen und neben dem Lohn auch durch Wohnung und sonstige Naturalleistungen entschädigt werden. Im Gegensatz zu diesen landwirtschaftlichen Arbeitern und Dienstboten bewirtschaftet der B. sein eignes Gut, indem er sich von dem Großgrundbesitzer durch den Umfang des Gutes unterscheidet. Die frühere Unterscheidung zwischen Rittergut und Bauerngut, welche sich darauf gründete, daß der Besitz eines Ritterguts ein Vorrecht des Adels war, und daß damit gewisse sonstige Vorrechte, namentlich Steuerfreiheit, verbunden waren, ist durch die moderne Gesetzgebung beseitigt. Der Unterschied ist nicht mehr von politischer, sondern nur noch von wirtschaftlicher Bedeutung, wenn sich auch noch manche privatrechtliche Eigentümlichkeiten der Bauerngüter bis in die neueste Zeit erhalten haben (s. Bauerngut). Nach der Größe ihres Grundvermögens führen die Bauern in den verschiedenen Landschaften verschiedene Bezeichnungen, wie Vollbauern (Vollspänner, Vollmeier, Vollerben, Vollhöfner, Besitzer ganzer Höfe, Hofbauern), Dreiviertelbauern (Hüfnermeier, Dreiviertelspänner), Halbbauern (Halbspänner, Halbhufner, Huber, Halbmeier), Viertelhofsbesitzer oder Lehner, Eigenlehner, Köter (Katen, Kotsassen, Kossäten, von „Kot“ oder „Kat“, kleiner Hof), welche nur ein Haus oder etwas Ackerland besitzen, endlich Hintersiedler (Hintersitzer, Hintersassen, Kleinhäusler, Tropfhäusler), die nur mit einem Haus u. etwas Grundbesitz angesessen sind. Andre Bezeichnungen erklären sich aus dem frühern Abhängigkeitsverhältnis der betreffenden Bauern, wie Kirchen-, Kloster-, Stifts-, Pfarr-, Amts-, Patrimonialbauern u. dgl.

Geschichtliche Entwickelung des Bauernstandes.

Bei den Völkern des Altertums wurden Ackerbau und Viehzucht ursprünglich in hohen Ehren gehalten. Später kam bei den Griechen der Ackerbau in die Hände der Sklaven; auch bei den Römern wurde in späterer Zeit die Landwirtschaft größtenteils den ärmern Bürgern oder den Sklaven überlassen. Einen eigentlichen Bauernstand im heutigen Sinn finden wir im Altertum nicht. Erst unter den germanischen Völkern entwickelte sich ein solcher. Als freier Mann wohnte der Germane ursprünglich auf seinem Los (Allodium), das ihm Unterhalt und Selbständigkeit sicherte. Allerdings fanden sich schon in der alten Zeit auch unfreie Personen, zu welchen vorzüglich die Kriegsgefangenen gehörten. Allein von diesen Unfreien

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0462.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2021)