Seite:OAB Oberndorf 077.jpg

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Rollen lärmend die Straße durchziehen, zwei Tage lang ein tolles Wesen getrieben; es ist daher erfreulich, daß in neuerer Zeit die Faschingsbelustigungen in der Abnahme begriffen sind, denen auch von Seiten der städtischen Behörden kräftig entgegen gearbeitet wird.

Bei den Taufen gehen die Pathen mit dem Vater des Täuflings und mit der Hebamme in die Kirche; zuweilen schließen sich auch Verwandte dem Zuge an. Während des Gangs in die Kirche werden alsdann von den ledigen Burschen mit Pistolen Freudenschüsse abgefeuert. Nach der Taufe wird in der Stadt im Hause des Neugebornen, auf dem Land aber im Wirthshaus ein Taufschmaus gehalten, zu dem die Pathen und Anverwandten geladen werden.

Die Hochzeiten, welche öfters zwei Tage dauern, sind theils Zech-, theils Schenkhochzeiten und werden häufig sehr solenn gefeiert; am Tage der Trauung bewegt sich der Hochzeitszug unter Kleingewehrfeuer von dem Hause der Braut oder von dem Wirthshause, wo in der Regel eine sog. Morgensuppe eingenommen wird, in die Kirche und nach der Trauung von da zurück in das Wirthshaus zum Hochzeitsschmaus und Tanz. Die Braut und die Ehrengespielinnen sind in Oberndorf, Alpirsbach und Schramberg bekränzt, die Männer bestraußt und mit Bändern geziert, auf den Landorten aber tragen Braut und Brautjungfern die sog. Schappel, eine aus Flittergold kronenartig gearbeitete Kopfbedeckung. In einem Theil des Bezirks werden die Hochzeitsleute von den Gästen beschenkt, in den Schwarzwaldorten aber besucht man die Neuvermählten in dem Wirthshause, um ihnen Gaben zu bringen.

Die Leichenbegängnisse werden mit Ernst und Würde nach der kirchlichen Vorschrift gehalten; in der Klage (Leichenzug) gehen die leidtragenden Männer voran, hierauf folgen die übrigen männlichen Personen, an welche sich die leidtragenden weiblichen Personen nebst andern anschließen. Bei den Katholiken wird während der Procession auf dem Gottesacker laut gebetet und dann am Grabe eine Rede von dem Ortsgeistlichen gehalten; bei den Protestanten wird zuweilen die Trauerrede statt am Grabe in der Kirche gehalten. Die früher üblichen Leichenschmäuße, welche nach dem Trauergottesdienst stattfanden, sind mit wenigen Ausnahmen abgegangen. Nach ergiebigen Heuernten wird die sogen. Heukatz, nach der Getreideernte die Sichelhänget und nach dem Ausdreschen die Flegelhänget, jedesmal in einem Schmaus bestehend, in manchen Orten abgehalten. An der Kirchweihe, die überall mit Tanz gefeiert wird, findet noch in einzelnen Orten, wie in Waldmössingen, Lauterbach etc. der sog. Hammeltanz

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oberndorf. H. Lindemann, Stuttgart 1868, Seite 077. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Oberndorf_077.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)