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164 Ortsbeschreibung.


über welchem die Jahreszahl 1536 steht. Von den im Glockenhause hängenden 3 Glocken trägt die größte eine Umschrift, von der übrigens wegen Unzugänglichkeit nur „Fridolinus Bernhart Lachmann gos mich anno dom. 1492“ gelesen werden kann. Auf der mittleren, die noch älter als die vorhergehende ist, stehen die Namen der 4 Evangelisten und auf der kleinsten »Sancta maria ora pro nobis amen.« Das Innere der Kirche ist geräumig, aber durch Emporkirchen verfinstert und verbaut. An den Brüstungen der Emporkirchen sind biblische Scenen in Hautrelief aus Gyps dargestellt, die nicht gegossen, sondern mit dem Grabstichel künstlich ausgearbeitet scheinen. Zwei in der Kirche aufgehängte Ölgemälde auf Holz, die noch von dem früheren Hochaltar herrühren, haben sowohl Kunst- als Alterthumswerth; das eine, ein Flügelaltar mit zwei Thüren (Diptycha) aus der Zeit der Vermischung der deutschen mit der italienischen Schule, enthält auf dem mittleren Hauptblatt die Auferstehung Christi, auf dem Flügel rechts die Überschattung der Maria und auf dessen Rückseite Maria vor Christus knieend; auf dem Flügel links den englischen Gruß und auf der Rückseite Thomas, wie er vor Christus auf den Knieen liegt. Das andere Bild, welches früher an der Predella angebracht war, stellt Christus mit den 12 Aposteln, auf Goldgrund gemalt, vor. Es ist vortrefflich gemalt und gehört der altdeutschen Schule an. Sehr zu bedauern ist, daß beinahe sämmtlichen Figuren durch ruchlose Hände die Augen ausgestochen wurden, weßhalb zu wünschen wäre, daß dieses Kunstwerk in Zukunft vor ähnlichen Unbilden gesichert würde. Der gothische, pokalförmige Taufstein wird wohl aus der gleichen Zeit, wie die Kirche seyn. Das Chor hat ein schönes mit vorstehenden Gräten geflochtenes Netzgewölbe. Die Unterhaltung der Kirche liegt der Stiftungspflege ob, die Gemeinde muß aber zu den Kirchenbauten das Bauholz unentgeltlich liefern. Der um die Kirche gelegene Begräbnißplatz ging 1834 ein; der neue wurde in ziemlicher Entfernung südöstlich vom Ort, mit einem Aufwand von etwa 700 fl. angelegt. Früher sollen jenseits der Würm noch zwei andere Kirchen, die eine zu St. Veit, die andere zu St. Johannes gestanden haben. Vermuthlich waren es nur Kapellen, wenigstens wird noch gegenwärtig eine Stelle jenseits der Würm „bei der Kapelle“ genannt. Nur etwa 50 Schritte von der Kirche entfernt liegt die Wohnung des Ortsgeistlichen, ein angenehm und gesund gelegenes Eckhaus mit der Aussicht auf vier Straßen. Die Unterhaltung desselben hat der Staat. Zwei gut erhaltene Schulgebäude mit Lehrerwohnungen, wovon das eine 1824, das andere 1843 erbaut wurden, stehen ebenfalls ganz in der Nähe der Kirche. An den Schulen unterrichten


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Beschreibung des Oberamts Böblingen, Stuttgart und Tübingen 1850, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABoeblingen164.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)