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Das Eßlinger Stadt-Recht ist eines der ältesten in Schwaben; es wurde 1274 in Ulm eingeführt und ist eines der fünf Mutterrechte, in welche sich die, in Schwaben liegenden Städte getheilt haben (Jäger, Ulm 144). Ein Reichsvogt, als königlicher Statthalter, handhabte die peinliche Rechtspflege und höhere Polizei und zog die königlichen Einkünfte ein; der Schultheiß, als Stadtrichter, besorgte die bürgerliche Rechtspflege und niedere Polizei, er wurde alljährlich an Jacobi durch die Geschlechter und die Ehrbarkeit gewählt; das Stadtgericht bestand aus 12 geschworenen Richtern. Aber auch zu Eßlingen, wie in anderen Reichsstädten, entstanden zu Ende des 13. Jahrhunderts innere Unruhen, indem die Handwerker, seitdem sie sich aus dem Stande der Unfreien emporgearbeitet und in Zünften vereint hatten, ebenfalls Antheil an der städtischen Verwaltung begehrten. Diese Unruhen beendigte im August 1284 König Rudolph I. dadurch, daß er anordnete „um Frieden und Zucht zu erhalten“ sollten in Eßlingen Zünfte und Zunftmeister seyn und die Gemeinden, d. h. die Handwerker schwören ließ, daß „zu Ehre und Frieden der Stadt“ künftig jedes Handwerk seinem Zunftmeister beholfen sey. [1] 1

Hiemit begann für Eßlingen eine Zeit raschen Emporblühens und schneller Entwicklung und es errang sich eine immer größere Unabhängigkeit. Das Reichsschultheißen-Amt erwarb die Stadt 1360 und später ebenso das Reichs-Vogtamt pfandweise; den Zoll, welchen verschiedene Geschlechter vom Reiche zu Lehen trugen, kaufte sie während der Jahre 1363 bis 1392 an, die Reichssteuer aber, die 1330 auf 800 Pf. H. festgesetzt wurde, 1414 um 6000 fl. vom Secretär des Königs Sigismund, Johann Kirch, dem sie verpfändet war. Später aber begehrten die Kaiser mehrmals die Wiederbezahlung dieser Steuer und zuletzt kam es deßwegen sogar zu einem Prozeß beim Reichshofrath (1781), der aber nach und nach einschlief. Der Matrikularanschlag der Stadt wurde 1521 auf 10 Mann


  1. König Rudolf machte sich vielfach um Eßlingen verdient und hielt sich öfters in dieser Stadt auf, die anfänglich auf ihn sehr ungehalten, später aber ihm treu ergeben war. Die Annales Leob. a. 1287 bei Pez I, 859 erzählen eine Anekdote, die beweisen mag, welch ein kecker Geist damals die reichsstädtischen Bürger beseelte. Da einst der König Rudolf in die Stadt kam und das Volk, wie gewöhnlich in Menge sich um ihn drängte, trat ihm ein Eßlinger in den Weg und rief, vor der großen Nase des Königs (regium nasum, qui fuerat aquilinus) könne er nicht vorbei kommen. Der König wandte sich seitwärts und sagte: „Geh immer vorbei, meine Nase soll dir keinen Riegel vorschieben.“ Das Volk lachte den Kerl aus und Rudolf setzte das königliche Wort hinzu: „In einer freien Stadt muß auch Sinn und Rede des Mannes frei seyn.“
Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Eßlingen. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAE%C3%9Flingen_140.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)