Seite:OAEßlingen 167.png

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Im Jahr 1821 ließen Se. Majestät der König einen in Milchnutzung ausgezeichneten Rindviehstamm der holländischen oder friesischen Race in Nordholland aufkaufen und hier aufstellen. Der gegenwärtig aus 85 Stücken bestehende nachgezogene Stand zeichnet sich vor den Originalthieren durch vermehrte Körpergröße, geraderen Rücken, weniger abhängiges Kreuz, überhaupt durch gefälligere Formen aus. Die Race hat sich als sehr milchergiebig erprobt, und wird wohl hierin vor allen anderen den Vorzug behaupten. Dabei ist dieses Vieh sehr wenig Krankheiten unterworfen und hinsichtlich der Qualität des Futters durchaus nicht lecker, hat aber schon wegen seiner Größe eine starke Futterration nöthig. Die Kühe werfen schöne Kälber, welche in der Regel gut gedeihen und vortreffliches Fleisch liefern. Die Ochsen eignen sich gut zum Zug und sind, wie die nicht milchenden Thiere, sehr zum Fett und Fleischansatz geneigt. Viele junge Farren werden jährlich zur Zucht an Privaten und Gemeinden abgegeben.

Die an der Stelle der größtentheils schon früher (s. unten) abgegangenen alten Klostergebäude, neu errichteten Wirthschaftsgebäude sind gefällig, ihren Zwecken in der innern Einrichtung wie im Äußern entsprechend, und es ist nicht zu verkennen, daß hiebei Zweckmäßigkeit mit Solidität und Ökonomie sich vereinigten, um in denselben Muster von landwirthschaftlichen Bauten darzustellen.

In kleiner Entfernung von den Ökonomiegebäuden steht in Mitten angenehmer Anlagen das 1819 und 1820 erbaute königliche Landhaus, ein geschmackvoller Pavillon mit einer Aussicht, welche eine um so trefflichere Wirkung macht, als das Auge von diesem Krümmungspunkt des Neckarthals aus das ganze eben so große als anmuthige Gemälde von den Eßlinger Bergen und den ehrwürdigen Thürmen der Stadt bis hinab nach Canstatt überschaut. Das Gebäude, ein Viereck von 67′ Länge auf jeder Seite, besteht aus einem Erdgeschoß und einem obern Stockwerk, und bietet in seiner angemessenen innern Einrichtung eine Räumlichkeit, die man nach dem äußern Umfang kaum erwarten sollte. Das Erdgeschoß enthält eine Vorhalle, ein Vorzimmer, einen Speisesaal, einen großen Saal in Form einer Galerie und die nöthigen Räume zu ökonomischen Zwecken. Mitten im Gebäude führt eine zierliche Treppe aus Neresheimer Marmor, welche ihr Licht von oben empfängt, nach dem obern Stock, welcher in 4 Eckzimmer, vier dazwischen liegende kleinere Sääle und die erforderlichen Nebenzimmer vertheilt ist. Ein reiner Geschmack hat in Ausschmückung dieser freundlichen Räume Eleganz mit Bequemlichkeit gepaart. Von außen zieht sich ein Bogengang aus Gußeisen um das ganze Gebäude, und über demselben ein ebenfalls eiserner Altan herum.

Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Eßlingen. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAE%C3%9Flingen_167.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)