Seite:OALeonberg 090.png

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der westliche Theil der Kirche, unter welchem ein spitzbogiger Durchgang (Paradies) mit einem einfachen Kreuzgewölbe angebracht ist; an demselben sind die gothischen (germanischen) Fenster auffallend breiter, als die des Chors. Von diesem sogenannten Paradies führt ein Eingang mit spitzbogigem Frontispice, in welchem eine schön gearbeitete Wandrose mit dem Haupt Johannis angebracht ist, in das Mittelschiff der Kirche. Sowohl in der Vorhalle als an den Langseiten des Schiffs sind Grabdenkmale, meist aus dem 17. und 18. Jahrhundert, aufgestellt, welche zum größten Theil den Familien Besserer und Dreher angehören. Der an der Nordseite stehende 144 Fuß hohe Thurm hat ein vielseitiges Zeltdach und fünf Stockwerke, von denen die drei untersten in der Periode des Mittelschiffs, das vierte in der des westlichen Anbaues und das fünfte mit Umlauf einer noch späteren (Renaissanceperiode) angehören. Von den vier Glocken trägt eine in sehr alten Schriftzügen die vier Evangelisten-Namen und Baptista, auf einer andern steht: Anno dom. 1312, die dritte und zugleich größte ist im Jahr 1740 von Christ. Jacob Rechlin in Stuttgart gegossen worden; die vierte hat weder Zeichen noch Schrift. Im Innern ist die Kirche geräumig, aber durch schlecht bemalte Emporkirchen verdunkelt; auf acht achteckigen, durch Spitzbögen verbundenen Säulen ruhen die Seitenwände des Mittelschiffs, welches noch eine sehr alte hölzerne Flachdecke hat, deren Bemalung, wie die der Kirche und des Chors, durch eine 1817 vorgenommene weiße Tünchung zugedeckt wurde. Der sehr alte Taufstein gehört wohl in die Periode der ursprünglichen Erbauung der Kirche; von seinen acht Seiten sind vier ohne Verzierung, auf den übrigen befinden sich zwei schräge liegende, leere Wappenschilde, ein gerade stehender Schild mit einem Kreuz und eine Rosette.

Die schön und kunstreich in Holz gearbeitete Kanzel steht, da sie im Rococostyl gehalten ist, mit der Bauweise der Kirche nicht im Einklange. Von dem Langhaus führt ein spitzbogiger Triumphbogen in das mit einem einfachen Kreuzgewölbe gedeckte Chor, dessen Schlußsteine in der Richtung von Westen nach Osten folgende Bilder enthalten: 1) eine Rosette mit einem Kopf, 2) das Lamm Gottes (Agnus Dei), 3) den Kopf Johannis des Täufers.

Die Kirche ist aus der Stiftungskasse zu unterhalten.

Die lateinische Schule, in der sich die Wohnungen des Präceptors und Collaborators befinden, liegt in geringer Entfernung nördlich der Kirche; das ziemlich alte Gebäude war ursprünglich ein Nonnenkloster, „der Mutter und den andächtigen Schwestern williger Armuth“, und wurde erst später zur Schule eingerichtet.

Das Schulhaus, oder die deutsche Schule mit Lehrerwohnung,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Leonberg. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 090. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALeonberg_090.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)