Seite:OAMaulbronn0068.jpg

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sind; am verbreitetsten ist die Fallsucht, aus welcher sich häufig Geistesstörung entwickelt. Einen weiteren Beitrag zu der Entstehung letzterer liefert der in einigen Ortschaften nicht seltene Säuferwahnsinn, eine Form der chronischen Alkoholvergiftung, deren Ursache der Mißbrauch spirituoser Getränke ohne Unterschied ist.

Das Wechselfieber, welches in früherer Zeit in einzelnen Ortschaften endemisch gewesen sein mag, ist es jetzt thatsächlich nicht mehr, vielmehr fast ohne Ausnahme aus Gegenden, besonders der Rheinebene, hereingeschleppt, wo Wechselfieberformen das ganze Jahr herrschen. Larvirte Fieber kommen in einzelnen Orten, z. B. Ötisheim, Sternenfels, Schmie etc. hin und wieder vor, doch neuerer Zeit entschieden seltener wie früher.

Von epidemischen Krankheiten, die den Bezirk Maulbronn von Zeit zu Zeit heimsuchen, sind vornämlich die fieberhaften Hautausschläge, die Ruhr und etwa noch die Grippe zu erwähnen, indem der Typhus, wenigstens in seiner schweren Form (Nervenfieber) seit einer Reihe von Jahren (8–10 Jahren) epidemische Verbreitung nicht mehr erlangt hat. Dagegen treten die Masern, das Scharlachfieber sehr oft, etwa alle 2–3 Jahre epidemisch auf und durchziehen dann beinahe den ganzen Bezirk. Heftige, sogar verheerende Scharlachepidemien kamen im Jahr 1863 und 1864 (wobei Wiernsheim und Wurmberg besonders heftig befallen wurden) und im Winter 1868/69 vor. Die Menschenpocken kehren beinahe alle Jahre in einigen Ortschaften ein, finden aber nur ausnahmsweise das Terrain für eine kleine Epidemie, wie z. B. im Jahr 1862 in Knittlingen, im Jahr 1865 in Illingen, im Jahr 1869 in Derdingen, und im Jahr 1870 in Folge wiederholter Ansteckung von Stuttgart aus in Illingen, und mehr isolirt in Schützingen, Sternenfels etc.

Die Ruhr bekommt in den spätern Sommermonaten heißer und feuchter Jahrgänge hin und wieder epidemische Verbreitung, doch meist nur auf wenige Wochen und bis jetzt noch nie in schlimmeren Formen.

Die Grippe herrschte in weitester Verbreitung und mit großer Intensität im Winter 1858, seither nie mehr mit gleicher Heftigkeit.

Von chronischen, d. i. langwierigen, schleichenden Krankheiten sind, sofern sie im blühenden und im höhern Lebensalter ein starkes Kontingent zur Sterblichkeit der betreffenden Altersstufen liefern, die Lungentuberkulose und das Lungenemphysem (vorzugsweise dem höhern Alter eigen) anzuführen. Jede dieser Krankheiten hat einige Orte des Bezirks zu ihrem Hauptsitz gewählt, wobei in Bezug auf jene (die Lungenschwindsucht) die häufige Vererbung aus einer Familie in die andere, von einer Generation zur andern, in Bezug auf das Lungenemphysem die Eigenthümlichkeit der mit dem

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0068.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)