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Handel mit Stubensand, Strohgeflechten etc. und sind in Folge dieses gewandter als der gewöhnliche Bauer oder Weingärtner.

Die Gemeinden an der langgestreckten Westgrenze des Oberamts stehen mehrfach in engerer wirthschaftlicher Verbindung mit dem Nachbarland Baden. Daselbst setzt der Landwirth zu einem guten Theil seine Produkte ab, von etlichen Grenzorten herüber greifen auch die dort wohnhaften israelitischen Händler rührig in den Verkehr ein; andererseits wird aus den ansehnlichen Städten Pforzheim und Bretten manches bezogen, was der Landbewohner in der Stadt sucht. Bei der Pforzheimer Goldwarenindustrie mit ihrem ausgedehnten Betrieb sind ziemlich viele Bezirksangehörige beschäftigt, als ansäßige Mitglieder der dortigen württembergischen Kolonie wie als ab und zu gehende Arbeiter; bei größerer Entfernung seiner Heimatgemeinde von der Fabrikstadt kehrt der diesseitige Geschäftsgehilfe wohl auch erst nach beendigter Wochenarbeit in der ersteren ein. Junge Leute, welche in einer der Pforzheimer Fabriken lernen, bringen es bald zu einigem Verdienst, geschickte Arbeiter beziehen ansehnliche Löhne. Allerdings kann es bedenklich erscheinen, daß eine namhafte Anzahl der daselbst eintretenden Lehrlinge frühzeitig vom häuslichen Leben halb oder ganz abgelöst wird, und, mehr oder weniger sich selbst überlassen und für Veranstaltungen, welche geistigen Interessen dienen, schwer erreichbar, der Versuchung ausgesetzt ist, die baaren Mittel, die der Zahltag bringt, in sinnlichen Genüssen aufzuzehren, und die Gewohnheit anzunehmen, von der Hand in den Mund zu leben. Andererseits ist nicht außer Acht zu lassen, daß mißliche Erscheinungen in dem Kreis, auf welchen sich der Einfluß einer bedeutenden Industrie erstreckt, ihrer Natur nach leicht in die Augen fallen, während der mit Sparsamkeit geparte Fleiß in der Stille vorwärts kommt. Auch von den Bezirksangehörigen hat sich mancher in der benachbarten Fabrikstadt zu Wohlstand emporgearbeitet.

Doch nicht nur Pforzheim bezieht Arbeitskräfte aus dem Oberamt, seine Jugend, insbesondere seine weibliche Jugend wendet sich, soweit sie Dienste in fremden Familien sucht, gerne den Städten namentlich im Badischen zu.

Nicht selten lassen sich die mit der Absicht etliche Jahre unter Fremden zuzubringen Weggegangenen auf die Dauer im Ausland nieder. Überhaupt ist der Trieb des Schwaben in der Ferne sein Glück zu versuchen, den Bewohnern unseres Bezirks, welchen von Alters her vielgebrauchte Straßen durchschneiden, in nicht geringem Grad eigen. Das Ziel der Auswanderung ist hier wie anderwärts in den meisten Fällen Nordamerika.

In Folge des Abzugs der Arbeitskräfte in die Städte und der Auswanderung finden sich für den landwirthschaftlichen Betrieb bei

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0070.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)