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versehene Pfeiler-Basilika hin, und zwar als ein vollkommenes lateinisches Kreuz, denn Hauptschiff, Querschiff und Chor sind von gleicher Höhe, die beiden letztgenannten einschiffig und gerad abgeschnitten, und nur das Langschiff wird von niedrigen Abseiten (Nebenschiffen) begleitet. Dem nördlichen Seitenschiff ist der Kreuzgang, dem südlichen eine spätgothische Kapellenreihe angebaut, allein das Hochschiff und die drei östlichen Kreuzarme (Querschiff und Chor) erhielten sich fast unversehrt und beherrschen durch ihre streng romanischen, einfachen, festen und klaren Formen den ganzen Bau.

Gehen wir ins Einzelne und fassen zuerst die Schauseite (Westseite) der Kirche ins Auge, die auch noch ganz erhalten ist, wenn auch in ihrem untern Geschosse theilweise verdeckt durch die prächtige, im spätesten romanischen Stil erbaute Vorhalle, und betrachten wir zugleich, zum Verständniß der ursprünglichen Anlage, die nördlich daran stoßende Westseite des Klosters, die nun auch zum großen Theil verstellt ist durch einen an das Paradies sich anschließenden spätgothischen Hallengang und ein nördlich daran liegendes neueres Gebäude.

Wenn man sich aber im Anfang des 13. Jahrhunderts dem Kloster von Westen her näherte, so erblickte man die Schauseite der Kirche mit ihren drei Rundbogenportalen und dem über die Seitenschiffe hoch hinaufragenden Mittelschiffe, Alles belebt durch Lisenen, Rundbogenfriese und kräftige Gesimse, und daneben erblickte man, in ganz gleicher Weise behandelt, als Fortsetzung links hin die langgedehnte Schauseite des Klosters, im Ganzen, die Kirche mitgerechnet, in einer Länge von 307 württemb. Fußen. Kein Theil springt hier vor oder zurück, als eine zusammenhängende Fläche ist die über 300′ lange Schauseite gehalten und streng aber wohlthuend eingetheilt durch Rahmenwerk, das die tiefeingeschrägten Rundbogenfenster und die mehrfach sich eintreppenden Rundbogenportale umfaßt. Wieviel von dieser großartigen Fassadenbildung noch übrig ist, wird die Besprechung der einzelnen Räume zeigen.

Treten wir nun an die prachtvolle Vorhalle der Kirche, an das sog. Paradies, das dem Stile nach in den Jahren 1215–1220 erbaut wurde, als eine ganz im Rundbogen gehaltene, innen rippenkreuzgewölbte, außen mit Strebepfeilern besetzte Halle von weiten und schönen Verhältnissen (innere Länge 72′, Breite 26′, Höhe 25′) und von stolzen und edlen Formen, die eine große Freiheit des Baumeisters bekunden. In der Hauptsache folgt er dem glänzend ausgebildeten Stile damaliger Zeit, dem Übergangsstile von der romanischen zu der gothischen Bauart, und zwar dem rheinischen Übergangsstile; neu aber und ganz sein Eigenthum ist seine Behandlung der Arkadenfenster. Es sind Doppelfenster, die je zu zweien und

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0131.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)