Seite:OANürtingen 151.png

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Die Corporation besitzt unter andern Vermögenstheilen 250 Morgen Laubwald, der übrigens wie auch die Privatwälder, zum größten Theile aus Buschholz besteht. Den Groß-, Heu- und Öhmd-Zehnten bezieht der Staat, den kleinen die Pfarrei; das Zehntstroh gehört den Widdumhofsbesitzern, welchen die Faselviehhaltung obliegt.

Erkenbrechtsweiler (s. hienach) wird im Munde des Volks selten gehört; man sagt Hinterweiler oder Weiler schlechtweg. Es ist ein freundlicher Ort, in einer sanften Eindachung der Alpfläche unweit des steilen Nordrandes gelegen. Sehr viele neue Ziegeldächer statt der alten Strohdächer kündigen ihn schon aus der Ferne vortheilhaft an, wie sich denn auch im Innern das Aussehen des Dorfes sehr verbessert hat. Die Pfarrkirche ist aus einer jetzt nicht mehr sicher zu ermittelnden Zeit, da der alte Charakter des Gebäudes durch die 1756 vorgenommene Erneuerung und Erweiterung verwischt wurde. Die Baulast wird von der Gemeinde getragen. Erst 1472 erhielt der Ort einen Pfarrcaplan, nachdem er früher ein Filial von Ober-Lenningen gewesen war; von 1560–1706 aber war er wieder Filial der Diakone von Neuffen, zwischenein auch der Pfarrer von Beuren und Ober-Lenningen; 1706–38 waren eigene Pfarrvikare hier, welchen 1726 die Festung Hohen-Neuffen als Filial angewiesen wurde. 1739 erfolgte endlich die Errichtung einer wirklichen Pfarrei, mit welcher die Festung bis zu deren Aufhebung im Filialverband blieb. An der Kirche befindet sich der Begräbnißplatz. Das vom Staat zu erhaltende Pfarrhaus ist alt (erbaut 1744), das Rath- und Schul-Haus aber ein sehr ansehnliches, 1836 mit einem Aufwand von 10.000 fl. von der Gemeinde ganz neu aufgeführtes Gebäude. Die Schule hat 2 Lehrer; auch besteht eine 1823 mit Unterstützung der Frau Herzogin Henriette Hoheit gegründete Industrieschule. Der Ort hat hinlängliches Quellwasser in 2 Brunnen und die nöthigen Cisternen für das Vieh.

Es fehlt den Umgebungen des Dorfes nicht an manchfaltigem Interesse. Der merkwürdigen Überreste aus hohem Alterthum, des Burgwalds, der alten Straße, der Schanzen, Heidengräben, Grabhügel und antiquarischen Funde auf diesem abgeschnittenen Gebirgsast ist oben ausführliche Erwähnung gethan worden. Hier gedenken wir nur der unübertrefflichen Aussichten, welche man von mehreren vorspringenden Punkten des Felsenkranzes genießt, der den Alptrauf rings umgibt. Unter diesen verdient vorzugsweise einen Besuch der Brucken-Felsen oder die Scheurenweite, die äußerste Spitze des Burgwalds, wo senkrecht zu den Füßen des Beschauers das Gebirge in eine schauerliche Tiefe

Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_151.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)