Seite:OANürtingen 156.png

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sich genöthigt, neben dem Feldbau auf verschiedene Gelegenheiten zum Broderwerb in der Nähe und Ferne zu denken. Dahin gehören: das Handeln mit Geflügel und andern Viktualien in den benachbarten Städten, das Hausiren mit Büchern, namentlich Reutlinger Schriften und Kalendern, mit Wetzsteinen, Besen etc., das Lumpensammeln, das Arbeiten als Maurer- und Ziegel-Knechte in den Rhein- und Bodensee-Gegenden, das Korbflechten etc. Häufig werden die Kinder, nicht zum Vortheil ihrer sittlichen Ausbildung, wenn sie kaum der Schule entwachsen sind , in auswärtige Dienste geschickt. Bei diesen häufigen Berührungen mit der Fremde will man ein gewisses lebendiges, aufgewecktes Wesen als eine die hiesigen Einwohner von ihren Nachbarn unterscheidende Eigenthümlichkeit wahrnehmen. Von Professionisten arbeiten nur einige Weber und Schuster für auswärtigen Verschluß. Ein Erwerbszweig des weiblichen Geschlechts, das Sticken von Blousen und Mousselin, hat in neuerer Zeit aufgehört. Handlung ist 1, Schildwirthschaften sind 4, Ziegelei 1 hier. Die Gemeinde besitzt ein Back- und Waschhaus.

Sämmtliche Zehnten bezieht der Staat, den kleinen im Namen der verwandelten Pfarrstelle. Der Ort ist malerisch gelegen, weithin sichtbar und zieht sich in weitläufiger Bauart wie ein Kranz um die hohe Kuppe des Burgstalls her, s. hienach. Weniger gefällig ist das Innere; man trifft viele armselige kleine Häuser und unreinliche, holprige Wege. Der südliche Theil des Dorfs liegt beträchtlich tiefer als der nördliche, wo Kirche und Pfarrhaus stehen. Erstere ist 1725 durchaus erneuert und erweitert worden und war früher mehr nur eine Kapelle; sie ist zu 2/3 Eigenthum der Gemeinde, zu 1/3 des Heiligen. Das frei, hoch und schön gelegene Pfarrhaus wird vom Staat unterhalten. Ein neuer Begräbnißplatz ist oben am nordwestlichen Ende des Orts angelegt worden. Das Rath- und zugleich Schul-Haus ist 1815 erbaut und hat ein gutes Aussehen. Es besteht eine Industrieschule; die Volksschule hat einen Lehrer mit einem Lehrgehülfen. Quellbrunnen sind hinreichend vorhanden; nur in sehr trockenen Sommern fehlt es im obern Dorf an gutem Trinkwasser. Durch das untere Dorf führt die neue, bereits lebhafte Straße von Nürtingen und Kirchheim nach Metzingen, Reutlingen etc.

Mitten in dem Dorfe erhebt sich ein kegelförmiger, nach allen Seiten sonst abgedachter Hügel, 1418′ (nach Schübler) hoch über dem Meere, 572′ über dem Neckar bei Nürtingen, dessen Seiten theils mit Reben, theils mit Obstbäumen bepflanzt sind, die Kuppe

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August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_156.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)