Seite:OANürtingen 195.png

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Rücken, in welchen diese Vorgebirge an ihrem Fuß auslaufen, wird ein Kessel gebildet, in dessen Grund das Städtchen Neuffen von Wein- und Obst-Gärten umgeben, freundlich, aber ziemlich versteckt liegt. In diesem Thalkessel rinnt die Steinach aus mehreren Quellbächen, dem Dürrenbach, Bauerlochbach etc. zusammen. Der Boden ist für Getreidebau auf der erhöhten Fläche gegen Kohlberg hin fruchtbar, sonst ziemlich flachgründig und nur durch den sehr fleißigen Anbau zu dankbarer Ergiebigkeit gebracht. Die Hauptprodukte sind Wein,[1] Obst, Hanf, auch guter Wieswachs und Futterkräuter. Brodfrüchte werden kaum für das eigene Bedürfniß hinreichend erzeugt. Die Ackerpreise stehen auf 60–250–500 fl., die Wiesenpreise auf 100–275–600 fl. Der Weinbau ist hier am wichtigsten und ausgedehntesten im Oberamt. Die meisten Weingärten liegen am Fuß des Festungsbergs. Nach hiesigem Brauch enge (mit 4000 St. pr. Mrg.) und fast ausschließlich mit Sylvanern bestockt, liefern sie in guten Jahren auf den Morgen 8–12 Eimer eines Gewächses, das im günstigen Fall mit 40 bis 44 fl., bisweilen noch höher bezahlt wird. In sehr trockenen Jahrgängen, wie z. B. 1834, wo bisweilen Strichregen an der Alptraufe hin die Reben erfrischten, hat das hiesige Erzeugniß von Kennern den Vorzug selbst vor den beliebten Weinen des Remsthals erhalten, und wurde in größere Entfernung, namentlich nach Stuttgart abgesetzt. In gewöhnlichen Jahren findet es seine Abnehmer hauptsächlich in Urach und auf der Alp. Es ist nicht zu verkennen, daß durch zweckmäßigere Bestockung der hiesige Wein, der früher nicht im besten Ruf stand, sehr gewonnen hat. Ein Morgen Weinberg kommt auf 450–600 fl. zu stehen, doch gibt es auch geringe zu höchstens 320 fl. Die gegen rauhe Winde und Frühlingsfröste ziemlich geschützte Lage begünstigt die Obstzucht, die hier sehr fleißig cultivirt wird. Besonders werden Kirschen in Menge gewonnen, und Kirschengeist zum auswärtigen Verkauf bereitet.[2] Nußbäume sind auf den Allmanden in großer Zahl gepflanzt worden. Die Rindviehzucht ist von mittlerm Belang, die Schafzucht nicht unbeträchtlich. Die Wäsche, welche viele Schafhalter mit ihren Alpheerden hier vornehmen lassen (s. oben S. 77) beschäftigt im Frühsommer viele Hände.

  1. Schon im Jahr 1247 kommen vineae in Nifen vor, welche Heinrich von Neuffen an Kloster Söflingen vergabt. Dasselbe Kloster erhielt im Jahr 1278 von Berthold von Neuffen allhier eine Kelter.
  2. In Neuffen und Linsenhofen wurden nach öffentlichen Blättern 1847 36.000 Maas Kirschengeist gewonnen.
Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_195.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)