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Auch eine fünfte, noch kleinere Glocke wurde damals gegossen, aber vor einigen Jahren vom Glockengießer Hugger in Rottweil umgegossen; die frühere Glocke hatte die Inschrift: Laudetur Sanctissimum Sacramentum, panis augelorum, frumentum electorum, ave verum corpus natum de Maria, Virgine, vere passum, immolatum in cruce pro homine. 1697.

2. Die Kapellenkirche zu unserer lieben Frauen, liegt östlich (rechts beim Hereingehen) an dem lang gestreckten Marktplatz und blickt mit ihrem bis zum Knopf 245,28 w. F. (70,27 m.) hohen, prachtvoll verzierten gothischen Thurm gerade auf den ziemlich höher liegenden Platz herein. Sie stammt aus drei verschiedenen Zeiten. Ihre erste, prächtigste und gediegendste Anlage weist in die schönste Blüthezeit der gothischen Baukunst in Schwaben, nämlich in die erste Hälfte oder Mitte des vierzehnten Jahrhunderts (vor 1354); ihre davon noch erhaltenen Theile, die drei unteren Geschosse des Thurmes, zeigen fast genau denselben Stil, wie die herrliche Heiligkreuzkirche zu Gmünd, welche laut Inschrift im Jahre 1351 begonnen wurde. Vom ursprünglichen Schiff der Kirche sind nur noch gegen Westen hin einige verschwindende Reste vorhanden, aber doch so viel, daß sich der alte Bau im Geist wieder aufrichten läßt; er war eine schlanke einschiffige Halle mit hohen schön profilirten Spitzbogenfenstern und mit gestreckten Halbsäulen an den Wänden, von denen die Rippenkreuzgewölbe ausgingen. Eine dieser Wandsäulen erhielt sich in der Nordwestecke, sowie ein halbvermauertes Fenster an der Südwand der jetzigen Kirche. Ferner sieht man noch an der Ostseite des Thurmes innen in der Kirche ein wagrechtes Gesims mit prächtigem Blätterkranze, und außen über dem Dach der jetzigen Kirche das schlank aufsteigende Giebelschutzgesimse des ursprünglichen Daches. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (1478) wurde sodann der noch jetzt stehende spätgothische Chor an Stelle des ursprünglichen errichtet – und im vorigen Jahrhundert kamen, nachdem seine Gewölbe im Jahre 1721 eingestürzt waren, die Jesuiten über das Gebäude, rissen das ursprüngliche Schiff nieder und bauten das Innere des Chors im Zopfstile um (1721–1729).

Betrachten wir nun die Kirche zuerst von außen. Der im Westen der Kirche stehende, fünfstockige Thurm, der Kapellenthurm genannt, gehört zu den schönsten und merkwürdigsten Thürmen der gothischen Baukunst und sucht besonders durch den Reichthum seiner Bildhauereien weit und breit seines Gleichen, übertrifft in dieser Hinsicht sogar den Thurm des Ulmer Münsters. Seine drei unteren Geschosse stammen noch aus der Zeit der Gründung der Kapellenkirche und stehen dem Stile nach zwischen dem Thurm der

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0186.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)