Seite:OARottweil0189.jpg

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von Gestalten. Das Bogenfeld besitzt nicht mehr seinen vollständigen Bilderschmuck, das untere Feld ist leer, im oberen sieht man zwei Engel und zwei Ochsen; neben und über dem Portale aber stehen, zum Theil stark verstümmelt, auch unter Baldachinen, die Bildsäulen der vierzehn Propheten, von denen jedoch nur noch zwölf vorhanden sind; dafür steht auf einer der Konsolen jetzt eine schöne alte Madonna. Die Nordseite des Thurms ist bedeutend einfacher gehalten, sie enthält nur in dem auch sehr reich profilirten Portal einiges Bildwerk: oben Mariä Verkündigung mit Sonne, Mond und Sternen, darunter die Anbetung des Kindes durch die drei Könige; die lächelnde Maria hält das freudig erregte Christuskind auf den Knieen.

Aber außer diesen so zahlreichen Bildwerken erscheinen an den Anfängen der Wimperge, Fialen, Giebelschrägen, auch an Konsolen u. s. w., Menschen- und Thierfiguren; dieses kecke Spiel setzt sich, nur derber und fratzenhafter, an den zwei obersten spätgothischen Geschossen des Thurmes fort, und wird von unten bis oben begleitet von einer großartigen Fülle herrlichen Blattwerks. Voll Ausdruck, nur oft etwas zu scharf geschnitten in Gesichtszügen und Gewandung und mitunter etwas kurz, sind zum Theil die großen Figuren, von schönster Bewegung, äußerst flüssig und weich ausgeführt die verschiedenen kleineren Gestalten, die an den drei unteren Geschossen angebracht sind; unverkennbar ist auch hier der Einfluß des französischen Stils.

Das Schiff der Kirche, das bedeutend breiter als das ursprüngliche angelegt ist, zeigt außen jene kahlen Wandflächen und langen Rundbogenfenster der meisten Kirchen der Jesuiten, denen es hauptsächlich um einen großartigen Innenraum zu thun war. Das Dach der Kirche war früher etwas höher, man sieht, wie oben schon bemerkt, an der Ostseite des Thurmes noch das schlanke steinerne Giebelschutzgesimse der alten frühgothischen Kirche.

Der ziemlich lang gestreckte Chor ist in hübschen spätgothischen Formen aufgeführt, seine Strebepfeiler sind mit Spitzsäulen geschmückt, doch haben seine Spitzbogenfenster bei der Verzopfung der Kirche ihre Maßwerke verloren. Auch sieht man im Innern noch die schlanken Dreiviertelssäulchen, von denen das Netzgewölbe ausging. Der Baumeister des Chores war ein Stuttgarter Steinmetz, Namens Albrecht Georg, der sich im Jahre 1478 um die Summe von 900 Gulden verbindlich machte, innerhalb fünf Jahren einen neuen Chor in einer Länge von 53, einer Breite von 30 und einer Höhe von 54 Schuh, nebst 5 Fenstern und 3 Thüren, einem Frohnaltar, einem Presbyterium, einem Sakramenthaus und einer Sakristei, mit einem darin befindlichen Altar und einem Wasserstein, alles aus gehauenen Steinen zu bauen, auch die Decken zu wölben und den Fußboden

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0189.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)