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Beschreibung der Gegenstände in der Sammlung des Alterthumsvereins). Die interessanteste Entdeckung aber machte der Verein im Sommer 1834; man stieß auf den Grund eines größeren Gebäudes, dessen ursprüngliche Eintheilungen, Hypokausten etc. sich größtentheils noch erkennen ließen; eines der Gemächer von etwa 24′ im Gevierte enthielt einen in Feldern eingetheilten Mosaikboden von ausnehmender Schönheit.

Nach den noch vorhandenen Überresten ergiebt sich die ursprüngliche Eintheilung des Bodens folgendermaßen: die von Mosaikbildern erfüllte Fläche zeichnet sich als ein großes griechisches Kreuz auf dunkelfarbigem einfachem Mosaikgrunde ab, so daß in den 4 Ecken des Gelasses 4 leere quadratische Felder entstehen; hier standen wohl Postamente mit Statuen (s. den Grundriß). In der Mitte des Mosaikbodens erscheint das je 6′ im Gevierte haltende Hauptbild, Orpheus auf der Lyra spielend. An dieses Hauptbild sezt sich an jeder Seite ein ebenso langes Bild, zwei davon sind noch theilweise erhalten und man kann darauf die Überreste von Wagenlenkern erkennen, der eine mit zwei, der andere mit vier vorgespannten Rossen. Durch diese 5 Bilder entstand abermals ein griechisches Kreuz, an dessen 4 Armen sich größere, die ganze Breite der oben beschriebenen Kreuzesform einnehmende Bilder anschloßen. Auf zwei derselben sind noch Reste von Jagdscenen erkennbar. Der Übergang von der inneren in die äußere Bilderreihe war sehr sinnreich durch je zwei an den Kreuzeswinkeln eingeschobene, mit Arabesken verzierte Rautenfelder vermittelt. Um das Ganze lief eine breite dunkle Fassung.

Betrachten wir das beinahe noch ganz erhaltene Mittelbild noch einmal näher: Orpheus als Jüngling dargestellt sitzt auf einem Felsblock zwischen Waldbäumen, das reich gelockte Haupt mit der rothen phrygischen Mütze bedeckt, über sein grünlich weißes mit dunklen Säumen versehenes Untergewand ist eine röthliche faltenreiche, auf der rechten Schulter mit einer goldenen Agraffe zusammengehaltene Chlamys (Mäntelchen) malerisch geworfen. Orpheus stützt die mit farbigen Steinen besetzte fünfsaitige Kithara (Leyer) auf die linke Vorhüfte, greift mit der linken Hand in die Saiten und ist eben im Begriff mit der rechten das Plectrum gegen dieselben zu führen. Die edle Haltung, sowie die zarte und weiche Bildung des an einen jugendlichen Apollo erinnernden Kopfes und das schwärmerische Feuer des Augenpaars zeigt einen ungemein schönen Ausdruck dichterischer Begeisterung. In jeder Ecke des Bildes ist ein durch das Saitenspiel hergelocktes Thier angebracht und zwar zu den Füßen des Orpheus ein Storch und ein Hund, und auf den zu beiden Seiten stehenden Bäumen ein Rabe und eine Elster. Das ganze Bildwerk

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0223.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)