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gothische Madonna mit dem Kinde. An der Nordwand des Chores erhebt sich ein sehr schönes 12 Fuß hohes steinernes Sakramenthaus spätgothischen Stils mit der Jahreszahl 15x5 (1515); leider ist es sehr dick mit weißer Tünche bedeckt, auch fehlen die drei an ihm angebracht gewesenen Statuetten. Über dem halbrunden Triumphbogen sieht man einen gothischen Schlußstein, worauf der h. Georg. mit dem Drachen. Von den zwei Glocken auf dem Thurm hat eine die Umschrift: Felix Koch goss mich in Salmansweil 1790. Sancta Maria et omnes Sancti orate pro nobis. Die andere: Rudolfh Schelch von Schafhausen goss mich anno 1728. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde. Ein neuer Begräbnißplatz wurde im Jahre 1870 außerhalb des Ortes angelegt. Der frühere ging um die Kirche und an der Südwestecke seiner noch stehenden Mauer sitzt ein schöner gothischer Schlußstein, worauf Maria mit dem Kinde.

Das hübsche, im Jahre 1804 erbaute zweistockige Pfarrhaus ist ebenfalls von der Gemeinde zu unterhalten.

Das im Jahr 1832 erbaute, gut unterhaltene, zweistockige Schulhaus enthält 2 Lehrzimmer und die Gelasse für den Gemeinderath, während der Lehrer ein eigenes Haus bewohnt. Auch sind 2 Waschhäuser, ein Backhaus und ein Armenhaus im Ort.

Gutes, theilweise etwas gipsführendes Wasser liefern im Überfluß 11 laufende und 4 Pumpbrunnen, überdieß fließt der Neckar mitten durch das Dorf; er tritt nur selten aus und verursacht keinen Schaden. Über den Neckar sind im Ort zwei von der Gemeinde zu unterhaltende steinerne Brücken angelegt. Auch auf der Markung, namentlich in der nächsten Umgebung des Orts, entspringen viele Quellen, von denen der 1/8 Stunde südwestlich vom Ort vorhandene Marktbrunnen die bedeutendste ist.

Die im allgemeinen geordneten Einwohner zeigen theilweise Neigung zum Kretinismus, der jedoch in neuerer Zeit abgenommen hat und nur noch bei 5 Personen getroffen wird. Feldbau und Viehzucht bilden die Haupterwerbsquellen, während die Gewerbe sich, mit Ausnahme von drei auch nach außen arbeitenden Mühlemachern, nur auf die nöthigsten Handwerke beschränken. Im Ort bestehen 5 Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, zwei Kaufläden und eine ansehnliche Kunstmühle mit 5 Mahlgängen, einem Gerbgang, einer Gipsmühle und einer Hanfreibe. Was die Vermögensverhältnisse betrifft, so hat der begütertste Ortsbürger 70 Morgen Feld und 10 Morgen Wald, die mittelbegüterte Klasse 20 Morgen Feld und die minderbemittelte Klasse 3–4 Morgen Feld.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0475.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)