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Die Gebäude sind nicht selten an den Giebelseiten verschindelt und einzelne noch mit Schindeln gedeckt. Den südlichsten Theil des Orts berührt die Rottweil–Schramberger Landstraße und überdieß bestehen Vicinalstraßen nach Flötzlingen, Horgen und als weiterer Verbindungsweg eine nach Rottweil.

Die kleine, dem h. Konrad geweihte Kirche liegt bei einer schönen alten Linde in dem noch theilweise ummauerten früheren Friedhof, im östlichen Theile des Ortes, und wurde im vorigen Jahrhundert erbaut, im Jahre 1827 erweitert; letztere Jahreszahl steht über dem Westeingang. Das flachgedeckte freundliche Innere enthält einen großen Altar im Spätrenaissancegeschmack, mit Säulen, Figuren und Gemälden, auch steht auf ihm eine schöne zwei Fuß hohe gothische Monstranz. Ferner sieht man an den Wänden hübsche schmiedeiserne Lichthalter und im schmäleren vieleckig schließenden Chor eine fast lebensgroße spätgothische Pieta, wohl schon aus dem 16. Jahrhundert, tüchtig und naturwahr behandelt. Auf dem Firste sitzt ein ganz mit Weißblech bedeckter Dachreiter. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde und der Stiftungspflege.

Als ein merkwürdiges und lehrreiches Beispiel, wie sich uralte Kunst- und Stilformen in den Werken der Volkskunst bis auf den heutigen Tag fortpflanzen, ist anzuführen das im nördlichen Theile des Orts an der Straße stehende, große hölzerne Krucifix, mit Engeln und Marterwerkzeugen, das einen ganz byzantinischen Eindruck macht, besonders auch der ältlich aber wirklich nicht ohne Ausdruck behandelte Christus selbst. Das ganze wurde laut Inschrift: Verfertigt von Bildhauer Wilhelm in Seedorf 1865. Der mit einer Mauer umfriedigte Begräbnißplatz wurde im Jahre 1829 außerhalb (nordwestlich) des Dorfs angelegt.

Das 1804 erbaute und 1829 erneuerte zweistockige Pfarrhaus steht südlich bei der Kirche, befindet sich in gutem baulichem Zustande und ist von der Gemeindepflege zu unterhalten. Das Schulhaus mit zwei Lehrzimmern und der Wohnung des Schulmeisters ist im Jahr 1842 modern und gut erbaut worden. An das zweistockige, gut erhaltene Rathhaus wurde ein Ökonomiegebäude angebaut, in welchem die Farren aufgestellt, und die Feuerspritze, der Bahnschlitten etc. aufbewahrt sind.

Gutes Trinkwasser liefern 20 Pumpbrunnen, die jedoch in trockenen Jahrgängen so nachlassen, daß der Wasserbedarf außerhalb des Orts, hauptsächlich in dem 1/2 Stunde entfernten Neckar-Thal, geholt werden muß. Auf den Fall der Feuersgefahr ist eine Wette im Ort angelegt. Auch die Markung hat weder eine Quelle noch einen Bach aufzuweisen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 553. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0553.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)