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Laubwaldungen sowohl, als die Nadelwaldungen werden gegenwärtig mit 100jährigem (statt bisher mit 90-, beziehungsweise 60jährigem) Umtrieb bewirthschaftet und es ist in den ersteren die natürliche, in den letzteren die künstliche Verjüngung Regel. Für jetzt wird übrigens die festgesetzte Umtriebszeit noch nirgends strenge festgehalten, vielmehr kommen ohne Rücksicht auf das Alter immer diejenigen Bestände und Bestandestheile zuerst zum Hieb, welche wegen ungeeigneter Holzart oder mangelhafter Bestockung den geringsten Zuwachs zeigen. Während diese so schnell als möglich zu entsprechendem Bestand und zu vollem Ertrag gebracht werden, bleiben alle besseren und wüchsigeren Waldtheile, auch wenn sie das hundertste Jahr bereits zurückgelegt haben, so lange unangegriffen, als nicht die Verjüngung der geringeren durchgeführt ist, wobei dann einzelne ein Alter von 120 bis 140 Jahren erreichen. Die Folge dieses Wirthschaftsgangs und der Bestandesverhältnisse ist, daß für jetzt und noch für geraume Zeit die Verjüngung durch Saat und Pflanzung die natürliche Verjüngung weit überwiegt und daß die Fläche der jüngeren Kulturen im Schönbuch eine Ausdehnung besitzt, wie in keiner anderen Waldgegend des Landes. Nur unter ganz günstigen Verhältnissen wird die künstliche Verjüngung durch Anzucht von Laubholz und dann in der Regel durch Pflanzung unter dem Schutz des bisherigen Bestandes (früher hin und wider auch mit Waldfeldbau) vollzogen, weitaus in der Mehrzahl der Fälle geschieht sie mit Nadelholz nach vorgängigem Kahlhieb und nach Rodung der Stöcke, worauf die Fichte durch Pflanzung, die Forche durch Saat und Pflanzung angebaut wird. Nur erstarkte Pflanzen von 11/2–3′ Höhe, bei Nachbesserungen nicht selten von 4–5′ Höhe finden Verwendung. Die Laubholz- und Fichtenpflanzen werden in zahlreichen und ausgedehnten Saatschulen erzogen, die Forchenpflanzen in der Regel mit Ballen den Freisaaten entnommen. Die Pflanzung geschieht meist in Reihen, bei der Buche und Forche mit 4–5′ Reihenentfernung und 3′ Abstand der Pflanzen in den Reihen. Die Fichte wird zum Zweck der Erziehung von werthvollem Kleinnutzholz, besonders Hopfenstangen, enger, d. h. mit 3′ Reihenabstand und 2′ Entfernung der Pflanzen in den Reihen gepflanzt. Bei den Forchensaaten kommen 7 bis 8 Pfund abgeflügelten Samens auf den Morgen, welchem noch 1 Pfund Lerchensamen und zur Erzielung eines angemessenen Bodenschutzes unter der Forche 2 Pfund Fichtensamen beigegeben werden. Durch Überhaltung einzelner Birkensamenbäume auf oder nahe bei den Kulturflächen sucht man eine angemessene Beimischung auch dieser Holzart zu erzielen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_145.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)