Seite:OATuebingen 216.png

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Im Schloßhof steht ein vierröhriger Brunnen mit korbartigem Aufsatz auf der steinernen Brunnensäule.

Die Stadt Tübingen war von Alters her verpflichtet, vier Wächter auf dem Schlosse zu halten, 1520 aber enthob sie Kaiser Karl V. dieser Verpflichtung; dafür mußte Stadt und Amt jährlich 50 fl. 10 Schill. zahlen, welche Abgabe später abgeschafft wurde.

Nicht minder großartig sind die unterirdischen Räume des Schlosses. In dem großen Keller unter den nordwestlichen Theilen befindet sich der uralte runde Ziehbrunnen; er geht bis unter die Sohle des Neckars, also mehr denn 300′ tief hinunter, hat die bedeutende Weite von etwa 14′ und ist auf das sorgsamste aus Quadern gemauert. Schon die Größe und Schönheit dieses unterirdischen Werkes zeugt von der Macht und Herrlichkeit der alten Pfalzanlage. Unter dem einstigen Rittersaale dehnt sich ein großer hochgewölbter Keller, in welchem das berühmte Faß, das große Buch genannt, liegt. Herzog Ulrich ließ es 1548 durch Meister Simon von Bönnigheim verfertigen, der zu den Böden und Dauben 40, zu den Felgen 50 Eichenstämme erhielt; zum Lohn bekam der Meister 150 fl. und ein Hofkleid. Das Faß ist 24′ lang, 141/2′ hoch und hält 286 württemb. Eimer oder 45.760 württemb. Maas. Unter der nordwestlichen Bastei und einem Theil des Hofraums finden sich mannigfache Gänge, die in frühere Rittergefängnisse münden, sowie ein großer runder Raum mit kugelförmigem Gewölbe und einer Galerie in halber Höhe, zu dem aus dem Innern des Schlosses ein eigener Gang führte; man hält ihn für die Stätte des heimlichen Gerichts. Unter dem mit 20′ dicken Mauern aufgeführten südwestlichen Thurme liegt das eigentliche Burgverließ, der sogenannte Haspelthurm, ein gewölbter, etwa 30′ tiefer Raum, ohne eine andere Öffnung, als die im Scheitel des Kugelgewölbes, durch welche der Unglückliche hinuntergehaspelt wurde.

2. Die dem h. Georg, dem h. Martin und der h. Maria geweihte Stifts- oder Kollegiatkirche (Stadtkirche), gewöhnlich Georgenkirche genannt, von der übrigens nur der Chor Eigenthum des Staats ist, während das Langhaus der Spitalpflege, und der Thurm der Stadtgemeinde gehört, hat eine schöne hohe Lage im südöstlichen Theil der Stadt.

Laut der Inschrift des an der südwestlichen Ecke eingemauerten, mit einem frühromanischen Greifen und Löwen gezierten Steines, steht dieser Stein an der dritten Kirche auf dieser Hofstatt; die Inschrift lautet: der. stain. lit. an. di drd. kirche uf diser hofstat. Von der ersten Kirche, die schon in sehr früher Zeit aufgeführt wurde, erhielten

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_216.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)