Seite:OATuebingen 417.png

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ein neuer, auch wieder zum Baum erwachsener steht. Auf der Seite gegen den Garten hinaus ist am Schloß ein steinernes Treppenthürmchen angebaut und eine zierliche auf Holzsäulen ruhende Gallerie (Loggia), jetzt von wilden Reben überwuchert; statt der hölzernen Säulen standen einst achteckige Steinpfeiler. Im Erdgeschoß sind Räume, in denen kräftige Holzpfeiler und hübsche Steinkonsolen die theilweise noch bemalte Holzdecke tragen. Im obern Stockwerk haben sich gegen Süden noch drei alte, jetzt nicht mehr bewohnte Zimmer erhalten; sie bewahren noch Öfen mit alten, vielleicht noch aus der Zeit Eberhards herrührenden irdenen Aufsätzen im schönsten Renaissancestil, zwei mit Ornamenten, der dritte mit trefflichen allegorischen Darstellungen in Rundbogennischen. Die neueren eisernen Untersätze der Öfen sind in den Jahren 1616, 1711 und 1771 gegossen worden. Die übrigen Gelasse des Schlößchens, namentlich die des an der Nordseite anstoßenden Flügels sind vom K. Revierförster bewohnt und benützt.

Das Schloß, welches Graf Eberhard klein aber kunstreich, doch mehr zum Vergnügen als zur Pracht als Jagdschloß erbaute, war früher dreistockig von behauenen Steinen aufgeführt und enthielt die Gelasse des Grafen und seines adeligen Gefolges. Das Dach war platt nach italienischer Art (wohl eine italienische Reminiscenz des Herzogs) und im untern Stockwerk öffnete sich eine große Halle für das Gesinde, welches jedoch, wie auch Adelige, außerhalb des Schlosses schlafen mußte. Ein Wächter hütete das Thor und über den rings um das Schloß laufenden Graben führte eine Zugbrücke, die Nachts ausgezogen wurde. In Verbindung mit dem Schloß stand ein fester Thurm (mit der Inschrift Attempto und dem Erbauungsjahr 1482), worin viele Bettstellen sich befanden. Am 25. Mai 1619 Vormittags zwischen 10 und 11 Uhr zerstörte ein Brand einen großen Theil des Schlosses und den im Hofraum grünenden Weißdorn; derselbe war in der Mitte des 17. Jahrhunderts 52 Ellen weit ausgebreitet und ruhte auf 40 Säulen (Jo. Val. Andreae vita ab ipso conscripta, ed. Rheinwald S. 258). Herzog Johann Friedrich ließ das Schloß mit einem Aufwand von 2000 fl. wieder herstellen und später baute auch Herzog Karl Eugen allhier.

Neben dem Schloß stiftete Graf Eberhard 1492 das Bruderhaus St. Petersstift zum Einsiedel. Aus Eichenholz errichtet, brannte das Gebäude am 6. Jan. 1580 völlig ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Die Steine der ebenfalls ausgebrannten Kirche sind zum Bau des Kollegium illustre in Tübingen verwendet worden, welches

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_417.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)