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Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt

Der Pfarrer wurde gemeiniglich der wälsche Pfarrer genannt, weil er in französischer Sprache zu predigen hatte, und bis in die letzten Zeiten wenigstens bey der Abendmahlsfeyer noch in solcher predigte. Er war zugleich der Pfarrer der reformirten Gemeinden in Stuttgart und Ludwigsburg, wovon erstere 1744, letztere 1785 ihm zugetheilt worden ist. Im Jahr 1809 war ihm auch das neu errichtete Dekanatamt über sämmtliche reformirte Gemeinden des Landes übertragen worden. Der letzte reformirte Pfarrer war Johannes Anhäuser; nach seinem Tode wurde die Pfarrey noch eine Zeit lang durch Verweser versehen, bis sie endlich in Folge der allgemeinen Vereinigung 1827 ganz aufgehoben wurde. Die Zahl der reformirten Einwohner war damals schon bis auf 20 herabgesunken.

Schicksale und Merkwürdigkeiten der Stadt.

Im Mittelpunkte aller Hauptstraßen gelegen und als wichtiger militairischer Paß, wofür den Platz auch Erzherzog Karl in seinem strategischen Werk erklärt hat, war Canstatt von jeher allem Kriegsungemach ausgesezt. Im Jahr 450 soll es von Attila zerstört worden seyn, gleiches Schicksal soll es 725 in den Kämpfen zwischen den Franken und Allemannen gehabt haben. Nach den Chroniken wäre es 910 wieder aufgebaut und also auch vorher zerstört worden. Im Jahre 1286, oder wahrscheinlicher 1287 wurde es von Kaiser Rudolph erobert und die Burg Brie wurde zerstört.[1] Im Schmalkhaldischen Kriege rückten die Spanischen Truppen des Herzogs von Alba ein, zu großem Verdruß des Herzogs Ulrich, der seinem Sohne Christoph deßwegen Vorwürfe machte, und meinte, „hätte man die


  1. Ob Canstatt selbst auch von dem Kaiser zerstört worden, wie gemeiniglich angenommen wird, ist zweifelhaft. Die Sindelfinger Chronik, welche hier die Quelle ist, sagt: Rudolphus rex expugnavit Cannistat, Brihe et Berge, septem castra atque igne castra destruxit. Diese Worte lassen verschiedene Deutungen zu, die wahrscheinlichste ist: der König eroberte die Orte Canstatt, Brie und Berg und mit ihnen 7 Burgen, die er zerstörte.
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Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1832, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCanstatt146.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)