Seite:OberamtCanstatt207.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt

Familie an, unter ihnen war auch einer des Reichsgrafen Friedr. Alex. von Sayn-Wittgenstein, gest. 26. Mai 1733. Das Pfarrhaus ist 1825 neu gebaut worden; die Baulast desselben liegt auf der K. Hofkammer, die der Kirche ist zweifelhaft. Die Kirchen- und Stiftungspflege besitzt außer einigen Gefällen ein Capital-Vermögen von ungefähr 4000 fl., die Schulstiftungen betragen 340 fl.

Die Bevölkerung hat sich seit hundert Jahren um das Anderthalbfache vermehrt. Die Einwohner leben im mittleren Wohlstande, ihre Nahrung beruht auf Ackerbau, Weinbau und Obstzucht, zum Theil auch dem Gewerbsbetriebe. Die Weinberge liefern einen der vorzüglichern Landweine; berühmt war ehedem besonders das Stettener Brodwasser, rein weißer Wein, der seinen Namen von einer Hofdame erhalten haben soll, die den Wein besonders lieb gewonnen hatte, und ihn für Brodwasser ausgab. Sehr wichtig ist die Obstzucht; die Einwohner führen das grüne Obst, hauptsächlich Kirschen, bis nach Augsburg und München, und dieser Handel gewährt dem Orte in guten Jahren einen Erlös von 8 bis 10.000 fl. Gemeiniglich werden auch dürre Zwetschgen mitgenommen. Unter den Gewerbsleuten befinden sich zwey vorzügliche Petschaftstecher, Didelbach Vater und Sohn. Seit einem halben Jahr befindet sich in dem Ort auch eine Strohhutfabrik, die von Winnenden dahin versetzt worden ist und mit Unterstützung aus der Staatskasse betrieben wird. Die Anstalt hat ihren Sitz in einem Schloß-Nebengebäude, das ihr von dem König überlassen und eingerichtet worden ist[1].

Die Erziehungs- und Lehr-Anstalt, deren oben erwähnt worden, ist eine Privat-Anstalt für Knaben von 6 bis 14 Jahren. Sie wurde 1830 von dem Professor Klumpp zu Stuttgart, dem Professor Klaiber, Pfarrer zu Stetten und dem Hof-Cameralverwalter Wiedersheim


  1. Über die Gründung der Anstalt und deren Ausstattung mit kostbaren Maschinen durch die freygebige Vorsorge S. M. des Königs, s. Würt. Jahrb. 1828, S. 101 und S. 231.
Empfohlene Zitierweise:
Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1832, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCanstatt207.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)