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werden die Särge der Kinder und der nicht gefallenen Ledigen mit einer Krone von Flittergold geschmückt.

Am letzten Advents-Donnerstag ist die sog. „Anklopfet“, an der die Kinder ein reiches Kornjahr wünschen und dafür Nüsse, Marzipan etc. erhalten. In Goldburghausen singt der Schulmeister bei der Anklopfet, die je am Thomasfeiertag stattfindet, mit seinen Schülern vor dem Pfarr- und dem Wirthshaus, worauf ein jedes Kind auf Kosten des Pfarrers und des Wirths eine Bretzel erhält.

An der sog. „Sichelhänge“, wie auch an der „Flegelhänge“ werden Küchlein im Schmalz gebacken und den Dienstboten gereicht. Wer auf dem Herdtfeld zuerst ausdrischt, bringt andern, die noch nicht fertig sind, einen Strohwisch, d. h. er wirft solchen ihnen heimlich zu. Dieß nennt man den „Mokel“ und ist ein Schimpf; daher der Mokelbringer sich schnell aus dem Staub machen muß, wenn er nicht eine Tracht auf den Rücken bekommen will.

An Martini wird die „Martinsgans“ verspeist. An dem Knechts-Montag (der erste Fasten-Montag) kommen die dienstlosen Knechte in ihren Blousen und mit der Geisel in der Oberamtsstadt zusammen, um sich neu zu verdingen. Die Mägde „schlänkern“ (d. i. wandern) an Lichtmeß.

Besondere Vergnügungen gewährt die aus der ganzen Umgegend vielfältig besuchte sog. Ipfmesse, die jetzt nicht mehr wie früher auf dem Ipf, sondern am Fuß desselben abgehalten wird (s. hierüber die Ortsbeschreibung von Bopfingen); ferner der sog. Bauernsonntag, an dem jeder Hausvater mit seiner Familie auf die Nördlinger Messe geht. Überdieß fährt er mit den Seinigen auf seinem Bernerwägelchen in der zweiten Meßwoche dahin.

Die Neresheimer halten an Peter und Paul ein Kinderfest im Wald „Eschert“.

Das alte Gildenwesen hat noch einige Überreste gerettet; es bilden nämlich die Holzhauer einen eigenen Verein, Gilde, und haben den St. Vincenz zu ihrem Patron, an dessen Fest sie einen eigenen Gottesdienst halten lassen. Hierauf versammeln sie sich im Wirthshause zur sogenannten „Auflage“, zechen, spielen und sind vergnügter Dinge.

Früher war das „Steffeln“ gäng und gäbe; es wurde nämlich am St. Stephanstag Allerlei (Bretzeln, Ringe etc.) gebacken und im Wirthshaus herausgespielt. Auch der „Fladen-Ritt“ (Osterfladen), ein großer Kuchen, den meist der Pfarrer backen ließ, und um welchen die ledigen Bursche dann um die Wette ritten, ist abgegangen. Der Kuchen wurde gemeinschaftlich verspeist und dabei tüchtig getanzt und gezecht.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0084.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)