Seite:OberamtTuttlingen0036.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Volkstracht diese Gegend bewohnt und nicht selten zu den freundlichen Landschaftsbildern treffliche Staffagen liefert.

Wir nehmen unseren Weg in das weite, verhältnismäßig milde, gerade gegen Süden ziehende Faulenbach-Thal, an dessen Eingang das stattliche Wurmlingen mit seinem ehemaligen ansehnlichen Schloß eine so behagliche Stätte gefunden hat. Weiter thalaufwärts erreichen wir das anmuthige Weilheim und endlich an einigen einsamen Mühlen vorüber Rietheim, das mit seinen Weilern und dem dem Freih. v. Wiederhold gehörigen mit Anlagen umgebenen Schloß einen hübschen Anblick gewährt. Hier verlassen wir das freundliche, fruchtbare Faulenbach-Thal und steigen den steilen, dicht bewaldeten Bergabhang hinan auf den Heuberg, zu dem einsam und hochgelegenen Weiler Rußberg, dort von einer großartigen Aussicht an die Tiroler- und Schweizeralpen überrascht, und plötzlich in eine rauhe Gegend versetzt, die mit dem so eben verlassenen Faulenbach-Thal auffallend kontrastirt.

Von Rußberg wandern wir hinüber zu dem engen, tief eingeschnittenen, waldreichen Ursen-Thal, das ernst und still mit seinen hohen, schroffen, zum Theil von weißen Felsen bekrönten Thalgehängen weit in den Heuberg hineingreift; das Thal überschreitend gelangen wir an der auf felsiger Höhe gelegenen, beinahe vergangenen Ruine Alt-Rietheim vorüber auf den Bräunisberg; hier wenden wir uns nördlich und gehen auf der Höhe, welche allenthalben die schönsten Fernsichten an die Hochalpen erlaubt, nach dem einsamen Hof Kraftstein, der in der Nähe der Ruine gleichen Namens ganz an der nördlichen Grenze unseres Bezirks liegt. Von Kraftstein führt uns der Weg in nordöstlicher Richtung über das auch von Felsengruppen umkränzte Lippach-Thal, das der muntere, klare Lippach in vielen Krümmungen belebt, und dessen wiesengrüne Thalsohle sich von den dunklen zu beiden Seiten hoch ansteigenden Waldgehängen so freundlich abhebt. Nachdem wir das Thal überschritten haben, erreichen wir bald das mit Obstbäumen mäßig umsäumte Kolbingen, welches hoch auf dem Heuberg liegt und dessen Charakter nicht ganz verleugnen kann, obgleich es ziemlich milder erscheint, als die übrigen mehr nördlich gelegenen Heubergorte. Wegen der hohen, freien Lage genießt man hier an vielen Punkten, namentlich bei der Kapellenlinde, schöne Aussichten an die Hochalpen, während sich auf dem Wachtfelsen und auf dem „breiten Stein“ herrliche Blicke in das Donau-Thal aufschließen. Das nur 3/4 Stunden nördlich von Kolbingen gelegene Renquishausen nähert sich schon

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0036.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)