Seite:OberamtTuttlingen0549.jpg

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Eintritt durch das Thor in die Festungswerke bekommt man den großartigsten und noch am meisten malerischen Gesamt-Anblick: man sieht beide Festungen, hoch übereinander gebaut, in riesenhaften Massen; von der unteren Burg die vielen leergebrannten Steinhäuser mit ihren gestaffelten Giebeln, fast alle in der Schneide zu sehen, schreckhaft in die Luft ragend, von der oberen Burg die verzackten Umfassungsmauern, aus Felsen wurzelnd, zu der rechten Seite der halbzersprengte kolossale Rundthurm (Rondel Augusta) über dem Abgrunde drohend. Kaum sind wir durch den langen dunklen Thorweg hindurch, so empfängt uns ein zweiter noch längerer, beträchtlich aufwärts führender, der herausführt auf die Höhe der Bastionen, die zum größten Theil unter Herzog Karl Alexander (1734–1737) aufgeführt wurden. Von dieser ebenen Fläche aus kann man bequem hinunterblicken in den mächtig breiten Graben, in welchen die einzelnen hochaufgemauerten kasemattirten Bastionen mit spitzen Winkeln hereinspringen; ihre jetzt stark beschädigten Mauern bestehen aus ganz gewaltigen Quaderstücken, von Klingstein, der ganz in der Nähe am Berg gebrochen wurde, in wohlthuendem Unterschied zu dem elenden Brockengemäuer der meisten übrigen Ruinen. 1

Von hier aus geht man, an kleinerem Trümmerwerk vorbei, durch ein weites Rundbogenthor; dasselbe trägt an der inneren Seite die Jahreszahl 1559, und führt über eine Holzbrücke in die untere Festung. Hier stehen nun zu beiden Seiten hochaufragende Trümmer von einstigen Kasernen und Verwaltungsgebäuden, schlanke Bäume, besonders Eschen, wie überall am Berg, wachsen aus und über den Ruinen, tief aufgeworfenes Schlinggewächs verhüllt sie nach unten. In genau nordöstlicher Richtung führt dann der Weg steil und schmal an der Felswand hin, die sich zur Linken in die Tiefe stürzt, rechts beinahe senkrecht emporsteigt, überall von seltenen alpinen Pflänzchen, Farnkräutern und zierlichen Felsensträuchern bekleidet, nach dem „unteren Thor“, zwischen der unteren und der oberen Festung dem früher sog. „Salzbüchsle“; dann schlägt sich, dazwischen auf einem ausgemauerten Pfeiler fußend, eine Holzbrücke über zwei schaurige Abgründe und leitet hinauf wieder über eine Brücke zum jetzt ganz zertrümmerten sog. Felsenthor, beim Schmiedefelsen, der linker Hand hinaustritt und schon die herrlichsten Aus- und Niederblicke gewährt. Weiter gelangt man über einen vierten aus dem Fels gebrochenen überbrückten Graben

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0549.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)