Seite:OberamtTuttlingen0558.jpg

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Im Ganzen soll man 125 Städte, Schlösser, Dörfer und Weiler vom Hohentwieler Thurm herab zählen können; aber schöner noch und ergreifender, als vom Thurm aus sich umzuschauen, ist es, unter dem Getrümmer selbst hinzuträumen, im Dunkel des Laubwalds, in der tiefen Stille, und wieder hineinzublicken auf die drunten im Sonnenduft schillernde Welt, – an die, wie Scheffel sagt, „steilaufgeschossenen Felsgipfel des Hegau in einsamer Schöne, ... den blau im Wiederschein blauen Himmels mit gedoppelter Buchtung zu uns sich herbiegenden Bodensee, ... die fernen riesigen, wie ein Hauch im Abendroth verschwindenden Schneeberge.“

Aber auch, in der Nähe betrachtet, ist der Hohentwiel unerschöpflich an Schönheit; so seine dicht mit Waldbäumen jeder Art bestockte, steil-amphitheatralisch aufsteigende Nordseite, wunderbar schön, besonders am Abend, wenn die untersinkende Sonne die voll über einander empor sich wölbenden Laubbaumwipfel vergoldet, und Falken und Habichte darüber langsam schweben. – Dann die Felsenpflanzen, unverwüstlich und unermüdlich aus allen Gesteinsfugen sich drängend, dazwischen die stärksten einzelnen Bäume, meist Linden, Ahorne, Ulmen und Eschen, die krampfhaft in die Ritzen ihre Wurzeln hineindrehen, mit ihnen die Felsen umklammern und als prächtige Stämme hinaufstreben. In den schattigen Falten des riesigen Berges kriecht uralter Epheu und schmückt oft die Trümmer, daß sie edlen Grabmälern gleichen; Mauerpfeffer- und Steinbrecharten blühen lebhaft auch aus der kleinsten Höhlung, goldgelbes Habichtskraut schimmert weithin, allüberall wieder das blauliche Grün der duftenden Wermutpflanze, und um die höchsten, noch nie von eines Menschen Fuß betretenen Klippen schwankt, wie ein Laub, das vom Windhauch sich tragen läßt, der Alpenfalter Apollo, so recht das durchgeistigte Bild von der sonnigen Lichtheit dieser Felsennatur.

Alterthümer.

Schon in urältester Zeit wurde der ganz unzugängliche, mit solcher Leichtigkeit zu vertheidigende und zudem oben eine bedeutende Fläche (mit Sickerwasser) bietende Felsberg des Hohentwiel von den Menschen als Zufluchtsort benützt, schon in den Tagen der frühesten Pfahlbauansiedelungen war dieser uneinnehmbare, frei aus der fruchtbaren Ebene aufsteigende Felsenhorst bewohnt und besetzt. Solche Betrachtungen drängen sich von

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0558.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)