Seite:Oberamt Wangen 139.jpg

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da theilte der Reichsdep.-Receß vom J. 1803 die Stadt mit ihrem Gebiet der Krone Bayern zu, nachdem sie schon im Septbr. 1802 von Bayern in Besitz genommen worden war. Nach dem Pariser Vertrag 1810 aber trat Bayern die Stadt mit den Gem. Deuchelried und Niederwangen an Württemberg ab, und behielt nur Wohnbrechts und Thann (Mariathann). Wie die Stadt unter Bayern Sitz eines k. Landgerichts gewesen war, so verlegte jetzt die königl. württembergische Regierung das Oberamt von Isny hieher und bildete den noch jetzt bestehenden Oberamtsbezirk. Das wohlthätige Gesetz vom 27. Juli 1824 sollte der tief niedergedrückten Stadt endlich aufhelfen. Nachdem schon früher 41.000 fl. als vorläufige Unterstützung vom Staat an die Stadt bezahlt worden waren, wurde nach obigem Gesetz ein Aversalbeitrag von 420.000 fl., vom 1. Juli 1820 an verzinslich, zu der sodann im Vergleichswege bewirkten Tilgung der noch übrigen Schulden, unter gleichzeitiger Bestätigung der früheren Abscheidung der vormals reichstädtischen Einkünfte und Lasten, auf den Gesammtstaat übernommen. Wie befriedigend in Folge dieser Erleichterung der jetzige Finanzzustand Wangens ist, wurde oben schon bemerkt.

Die älteste Verfassung und Verwaltung Wangens war dieselbe wie bei allen St. Gallischen größeren Besitzungen. Den Leibeigenen war der Meier vorgesetzt, der die Arbeiten leitete, die Früchte und Grundgefälle bezog.[ws 1] Die Gerichtsbarkeit besorgte der Schirmvogt, dessen Stelle der Amman versah. Die Frevel und Strafen theilte das Kloster mit dem Schirmvogt und mit dem Amman, doch wurden, der altdeutschen Verfassung gemäß, zu den gehegten Gerichten freie Männer als Beisitzer und Urtheilssprecher beigezogen. Schon in alten Zeiten war Wangen, in der freien Pürsch gelegen, eine der vier Mahlstätten des Landgerichts in Oberschwaben.[1]

So wie in Wangen das Gemeindewesen sich ausbildete, und die Schirmvogtei an das Reich kam, entstand ein eigener Stadtmagistrat mit einem Bürgermeister an der Spitze, der, von der Bürgerschaft nach und aus den Zünften frei gewählt, alle städtischen Angelegenheiten verwaltete. Ihm war der Amman oder Reichsvogt beigegeben, welcher den Blutbann und die Rechtsstreitigkeiten besorgte, bis die Stadt 1394 das Ammanamt vom Reich an sich löste. Diese Gemeindeverfassung wurde beibehalten bis Kaiser Karl V. 1548 das Zunftregiment in den Städten Oberschwabens


  1. Die letzte gerichtliche Verhandlung fand statt den 6. Mai 1801. Die Gerichtstage waren seit undenklicher Zeit nie von einem kaiserl. Landrichter in Person besucht, sondern die Verhandlungen immer von einem Statthalter in der Person des jeweiligen Amtsbürgermeisters geführt, auch diese nie, wie andernwärts, unter freiem Himmel, sondern bei offener Thüre des Rathhauses in dessen unterer Hausflur gehalten worden.

Anmerkungen [WS]

  1. Korrektur von Seite 280a eingefügt.
Empfohlene Zitierweise:
Beschreibung_des_Oberamts_Wangen: Beschreibung des Oberamts Wangen. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1841, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Wangen_139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)