Seite:Posse Band 5 0155.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Unter Ferdinand I. (III, Taf. 23, 1. 2) erhielt die Bulle eine bildliche Darstellung, wie sie bis Josef I. beibehalten wurde (III, Taf. 71, 1. 2): über dem thronenden Kaiser der Doppeladler, rechts das Wappen von Altungarn, links das von Habsburg. Der gekrönte Doppeladler des Reverses trägt auf der Brust einen von Ungarn und Böhmen quadrierten Schild, auf dem ein von Österreich, Kastilien, Burgund und Aragon quadrierter Schild, mit Herzschild Tirol-Habsburg, liegt.

Der unter Matthias im Jahre 1613 (S. 70) in dieser Ausstattung hergestellte Bullenstempel (III, Taf. 42, 1. 2) ist hierauf auch von Ferdinand II. (III, Taf. 49, 3. 4) und Ferdinand III. (III, Taf. 55, 1. 2) beibehalten worden. Man änderte nur die Kopfpartien und einen Teil der Umschrift, unter Ferdinand II. wurde die glatte Fläche des Reverses damasziert.

Wohl weil dieser Stempel zersprungen war, ließ Leopold I. einen alten Bullenstempel, der während der letzten Zeit des Königs Matthias im Jahre 1618 für Ferdinand II. hergestellt, aber von ihm nicht benutzt worden war, durch Nachgravierung des Namens für sich neu herrichten (III, Taf. 63, 1. 2). Ihn übernahm Josef I. mit Namensänderung der Umschrift (III, Taf. 71, 1. 2).

Unter Karl VI. wurde zwar die bis dahin beliebte bildliche Darstellung der Goldbulle – abweichend hiervon sind die Bullen für Spanien – beibehalten, doch mit reicherer Ausstattung versehen. Dazu kam eine Vermehrung des Wappenschmuckes auf dem Avers durch Zufügung der Schilde der drei geistlichen und sechs weltlichen Kurfürsten des Reichs, während der Revers den Kaiseradler trägt (IV, Taf. 5, 1. 2). Dieser im Jahre 1719 für Karl VI. angefertigte Stempel wurde von Franz I. mit Umänderung des Namens – die letzte nachweisbare Goldbulle – in der Umschrift des Averses und der ganzen Umschrift des Reverses, sowie dessen Schildes übernommen (IV, Taf. 16, 3. 4).

Gleich den Bullen sind Doppelsiegel die sog. Münzsiegel, die in Wachs hergestellt wurden und deren Vorder- und Rückseite gleich groß sind[1].

Erst Sigismund hat das Münzsiegel in die Reichskanzlei eingeführt. Als König von Ungarn hatte er sich eines großen Doppelsiegels (II, Taf. 12, 5. 6; 14, 1. 2) bedient, ein solches kam dann auch nach der Kaiserkrönung sowohl für Ungarn (II, Taf. 15, 1. 2), als das Reich (II, Taf. 17, 1. 2) in Gebrauch.

Nach dem Dekrete des Königs Matthias I. vom Jahre 1471, das fünf Siegelsorten für die ungarische Kanzlei vorschrieb, ist das große Siegel (sigillum duplex) ein Münzsiegel. Auch Friedrich III., der schon als Herzog von Österreich ein solches geführt hatte (II, Taf. 21, 1. 2) und auch als König ein solches für Österreich führte (II, Taf. 27, 1. 2), nahm nach seiner Krönung ein königliches Doppelsiegel in Gebrauch (II, Taf. 23, 1. 2), das er später zum Kaisersiegel (II, Taf. 25, 1. 2) umarbeiten ließ[2]. Mit dem Revers seines Münzsiegels führte Sigismund den Adlertypus der Kaisersiegel ein, der von Friedrichs III. und Maximilians I. Zeiten ab gleichwertig neben dem Thronsiegeltypus hergeht[3].

An die ungarischen Kanzleibestimmungen sich anlehnend, haben dann die späteren Habsburger[4] von Ferdinand I. an, als Könige von Ungarn das Doppelsiegel geführt: Ferdinand I. (III, Taf. 26, 1. 2; 27, 1. 2) und an die Darstellung dieses neugeschaffenen Siegels anknüpfend Maximilian II. (III, Taf. 33, 3; IV, Taf. 76, 1) und Rudolf II. (III, Taf. 39, 3. 4). Ein neuer Stempel (III, Taf. 44, 1. 2) wurde dann im Jahre 1610 für Matthias hergestellt und von seinen Nachfolgern Ferdinand II. (III, 52, 1. 2), Ferdinand III. (III, Taf. 58, 1. 2), Leopold I, (III, Taf. 66, 1. 2), Josef I. (III, Taf. 73. 1. 2) und Karl VI. (IV, Taf. 10, 1. 2) übernommen, indem man mehrfach die Kopfpartie der Siegelführer und deren Namen änderte[5].

Das später geänderte, von Leopold II. geführte ungarische Münzsiegel ist von Franz II. mit veränderter Umschrift übernommen worden (IV, Taf. 55, 1. 2).

Hat man bei Herstellung des Siegelstempels daran gedacht, den Siegelführer porträtähnlich darzustellen? Diese Frage ist für die älteste Zeit, in der antike Gemmen das Siegelbild lieferten und antike Münzen als Vorlage für neue Stempel benutzt wurden, natürlich zu verneinen.

Allein auch später widerstreitet, wie Breßlau zugestimmt werden muß[6], manches einer, derartigen Annahme. So läßt sich die Benutzung desselben Siegels durch zwei aufeinanderfolgende Kaiser, wie Otto I. und II., mit Porträtähnlichkeit kaum vereinbaren. Wenn nun ferner die Siegel Ottos I. bis zu seiner Kaiserkrönung, d. h. fast bis zu seinem 50. Jahre einen bartlosen Kopf zeigen, ganz wie den Konrads I. und Heinrichs I. bis zum Tode dieser Könige, wenn Otto II. und III., der eine im Jünglingsalter, dieser gar in frühem Kindesalter, gleichwie auch Heinrich III. als bärtige Männer dargestellt werden, so können die Siegelstecher schwerlich beabsichtigt haben, Porträtsiegel anzufertigen, sie haben ihre Aufgabe darein gesetzt, das Bild eines Königs zu schaffen.

Auf der zweiten Kaiserbulle Konrads II. (I, Taf. 13, 8) sind auf dem Avers der Kaiser und sein Sohn zusammen dargestellt, beide in ganzer Gestalt. Die Darstellung könnte der auf einer antiken oder byzantinischen Münze frei nachgebildet sein. Trotz der winzigen Verhältnisse ist der Kaiser an seinem mächtigen Vollbart erkennbar, Heinrich ist etwas kleiner und bartlos. Brunner[7] weist darauf hin, wie wenig, dieser Darstellung zufolge, jene Zeit noch den


  1. Vgl. S. 145.
  2. Vgl. S. 52.
  3. Ilgen a O. I. 4, 42.
  4. Von späteren Kaisern gebrauchte Karl V. nur als König von Spanien Münzsiegel.
  5. Vgl. S. 70
  6. Breßlau UL. 1, 965. Erben a. O. 174. Haberditzl in Mittel. des Inst. für österr. Gesch. 29, 625. 640. Ilgen a. O. I, 4, 38
  7. Brunner, Das deutsche Herrscherbildnis (Leipz. Diss.) 1905. S. 18.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0155.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)