Seite:Posse Band 5 0189.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Kanzlei (IV, Taf. 9, 3. 4). Der Originalstempel Karls VI. ist uns erhalten (IV, Taf. 9, 2), die Umschrift ist zu künftiger Umgestaltung verklopft. Er wurde jedoch nicht verwendet, man hat vielmehr für Maria Theresia ein ganz neues Siegel geschaffen (IV, Taf. 20, 5), das einen quadrierten Schild, mit dem böhmischen Löwen, wie bei allen Stempeln der böhmischen Kanzlei, als Herzschild hat und in 1. Ungarn, 2. Österreich-Burgund, 3. Mähren, 4. Schlesien zeigt, um den die vier Schilde von Luxemburg, Oberlausitz, Görlitz und Niederlausitz gruppiert sind.

Als Kurfürst und König von Böhmen führte Karl VI. noch vor seiner Kaiserwahl einen im Jahre 1711 hergestellten Stempel (IV, Taf. 8, 6), der einen mit der Königskrone bedeckten Schild, mit dem böhmischen Löwen als Herzschild, zeigt, und zwar in 1. Kastilien-Leon, 2. Ungarn-Dalmatien, 3. Kroatien-Bosnien, 4. Österreich-Burgund.

Auch das böhmische Sekret Ferdinands I. ist in dessen römischer Königszeit (III, Taf. 24, 7) unter Weglassung der Schilde im Siegelfelde als ein verkleinertes des großen böhmischen Königssiegels (III, Taf. 24, 6) anzusehen.

Zu gleicher Zeit wird aber auch ein zweites Sekret (III, Taf. 24, 8), das ebenfalls in der Kaiserzeit (III, Taf. 24, 9) in gleicher Ausstattung zur Anwendung kam, in Benutzung genommen, hier fällt der Mittelschild aus, und der Herzschild zeigt statt Habsburg-Tirol: Österreich-Burgund.

Dieses so umgeänderte Sekret, das in der Kaiserzeit statt des einköpfigen den Doppeladler zeigt, ist dann, wie auch das größere Siegel, in der böhmischen Kanzlei bis Josef I. (III, Taf. 32, 9. 10; 38, 9. 10; 39, 1; 57, 5; 65, 2. 3; 72, 7) beibehalten, aber unter Karl VI. in der Weise umgestaltet worden, daß statt Leon Aragon und Sizilien Aufnahme in den Schild fanden und als Herzschild der böhmische Löwe aufgelegt, jedoch Österreich und Burgund in Feld 4 des Hauptschildes verlegt wurden (IV, Taf. 9, 3).

Als Königin von Böhmen führte Maria Theresia auch kleinere, dem oben beschriebenen größeren Siegel (IV, Taf. 20, 5) gleiche Siegel, nur mit Wegfall der vier Schilde im Siegelfelde (IV, Taf. 20, 7; 21, 1–3), und zwar je ein Siegel für die Repräsentation und Kammer in Böhmen und Mähren (IV, Taf. 20, 6. 8) bis zum Jahre 1752, als Kaiserin und Königin von Böhmen ein im Jahre 1746 gestochenes großes Siegel (IV, Taf. 24, 3) und zwei kleinere. Beide stimmen mit dem größeren überein, nur sind die zwölf Schilde des Siegelfeldes weggelassen, das eine (IV, Taf. 24, 4) hat das Stichjahr 1748, das andere (IV, Taf. 24, 5) das Stichjahr 1764. Beide sind bei der Wahl Josefs II. zum römischen König als Reskriptensiegel verwendet worden.

Als König von Ungarn und Böhmen führte Ferdinand I. vor der Wahl zum römischen König in seinen Siegeln einen gekrönten von Ungarn und Böhmen quadrierten Schild, dem als Mittelschild ein ebenfalls quadrierter Schild aufgelegt ist und der im ersten Felde von Österreich und Burgund, im zweiten quadrierten Kastilien und Leon und im dritten von Aragon und Sizilien gespalten, während das vierte Feld von Neuburgund und Brabant geteilt ist und die Spitze Granada zeigt. Dem Mittelschild ist aufgelegt ein von Habsburg und Tirol gespaltener Schild.

Dieses so ausgestattete Siegel fand unter Ferdinand I. Verwendung bei der innsbrucker Regierung (III, Taf. 25, 1), der österreichischen Hofkanzlei (III, Taf. 25, 2), der böhmischen Kammer (III, Taf. 25, 3), gekennzeichnet durch die Buchstaben S–C, für Ungarn (III, Taf. 25, 4. 5), gekennzeichnet durch S–H. Ein anderes Sekret (III, Taf. 25, 6) ist nachweisbar in den Jahren 1530–31.

Weiterhin verwandten die Habsburger als Erzherzöge von Österreich den erzherzoglichen Schild. So die Erzherzöge Ferdinand (III, Taf. 34, 1–7), Karl von Steiermark (III, Taf. 34, 10–12; 35, 1–3), Rudolf II. (III, Taf. 35, 6) und Ferdinand II. (III, Taf. 51, 8–10), beide letzteren auch nach ihrer Krönung zu Königen von Ungarn und Böhmen. Dagegen ließ Matthias als Erzherzog den Schild anders gestalten (III, Taf. 41, 1. 2) und als König von Ungarn und designierter König von Böhmen zwei größere Siegel stechen, die die Länderwappen in besonderen Gruppierungen zeigen (III, Taf. 43, 1. 2).

Unter Ferdinand III. ging eine weitere Veränderung mit dem ungarisch-böhmischen Siegel vor sich. Sein Kanzleisekret zeigt den von Ungarn und Böhmen, mit dem Herzschild Österreich-Burgund belegten Schild, bedeckt mit der böhmischen Königskrone (III, Taf. 57, 1. 2). Die gleiche Ausstattung haben auch das größere Siegel und das Sekret seines Sohnes Ferdinand IV. (III, Taf. 60, 1. 3), dessen Schild er, zum römischen König gewählt, dem gekrönten einköpfigen Reichsadler auflegte (III, Taf. 60, 4).

Nach dem Dekrete des Königs Matthias I. von Ungarn aus dem Jahre 1471 (Dekret III. Art. 8) kamen bis zu Ende des Kaiserreichs in der ungarischen Kanzlei fünf Siegelarten in Verwendung: das hängende Doppelsiegel, die Goldbulle, das Sekretsiegel (secretum majus und minus), das Gerichtssiegel (judiciale, juridicum) und das Ringsiegel (anulare). Von Goldbullen sind nur erhalten die Rückseite einer Bulle Leopolds I. (III, Taf. 67, 1) und die Goldbulle der Maria Theresia (IV, Taf. 33, 1. 2). In der Zeit der Habsburger vor der Wahl zu römischen Königen zeigt das Secretum majus unter Ferdinand I. einen quadrierten Schild, im 1. und 4. von Alt- und Neuungarn (gespalten), im 2. und 3. von Böhmen; als Herzschild ist aufgelegt Österreich und Burgund (gespalten). Im Kreis herum sind 13 Schilde angebracht (IV, Taf. 75, 6). Unter Matthias ist der mit der ungarischen Königskrone bedeckte Schild, von Ungarn und Böhmen quadriert und trägt einen Herzschild (Österreich-Burgund), der in der Spitze Tirol hat (III, Taf. 45, 1). Dieselbe Ausstattung hat auch das Sigillum judiciale desselben Königs (III, Taf. 45, 2).

Denselben Schild, ohne die 13 Schilde des Siegels von Ferdinand I., zeigen auch Leopolds I. Secretum

Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0189.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)