Seite:Posse Band 5 0216.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Die gewählten Könige ließen daher zunächst das kleinere Siegel mit dem einköpfigen Adler als Siegelbild herstellen und siegelten damit bis zur Krönung[1].

Im 16. bis 18. Jahrhundert schwankte die Zahl der Tage zwischen Wahl und Krönung zwischen 2, 4, 7, 8, 10, 13, 14 und 21 Tagen. Wenn die Wahlkapitulationen am Wahltage bez. einen oder wenige nach ihm datiert sind, und bereits das neue Siegel tragen, so hat offenbar eine Nachbesiegelung stattgefunden, da die zum Teil schwierige Herstellung des Stempels längere Zeit erforderte. Aber auch der Text der Wahlkapitulation, der meist sehr umfangreich ist und in einer Anzahl von Exemplaren hergestellt wurde, erforderte längere Zeit und konnte nur dann auch das neue Siegel am Wahltage vorliegen, wenn Vorverhandlungen wegen der Wahl und des Wahltages gepflogen waren[2].

An einer nachträglichen Besiegelung von Urkunden aus der Königszeit mit dem Kaisersiegel ist nicht zu zweifeln[3].

Wenn wegen anderer Ursachen als der Änderung des Titels ein Siegelwechsel eintrat, kommen oft ein paar Wochen oder Monate hindurch alter und neuer Stempel nebeneinander vor, früher datierte Urkunden sind nachträglich besiegelt worden[4].


  1. Friedrich II. (I, Taf. 27, 5 und Wilhelm (I, Taf. 35, 3) führten bis zu ihrer Krönung Elektensiegel, die sie sich hierfür stechen ließen.
    König Sigismund, gewählt 8. Nov. 1410, gekrönt 8. Nov. 1414, Urk. 1411 Feb. 8 (Gercken, Cod. dipl. Band II. 3, 178): versiegelt mit unserm romischen kuniglichen anhangenden insigel, wan unser kuniglichen maiestat insigel noch nicht bereit was, do wir gegenwortigen brif dem burggraven Friderich gaben.
    Friedrich III., gewählt 2. Feb. 1440, zum König gekrönt 17. Juni 1442. In den zwischen Wahl und Krönung fallenden Urkunden lautet die Siegelformel 1440 Sept. 7: versiegelt mit unserm kuniglichen uffgedruckten insigel; 1441 Jan. 26: versigelt mit unserm kuniglichen grossem anhangenden insigel; 1441 Juli 25: versiegelt mit unserm kuniglichen anhangenden insigel; 1442 Juni 3: sub nostri regalis sigilli appensione. Sodann nach der Krönung 1442 Juni 21: sub nostre maiestatis sigillo. Es ergibt sich hieraus, daß Friedrich III. vor der Krönung zwei königliche Insiegel führte, ein größeres (II, Taf. 24, 5) und ein kleineres (II, Taf. 24, 6). Das größere wurde noch einige Zeit nach der Kaiserkrönung (19. März 1452) in der kaiserlichen Kanzlei geführt. Die Siegelformel der Urk. 1452 Sept. 11 für Straßburg: sub sigillo nostro, quo ante coronationem imperatoriam usi sumus et adhuc utimur. Im Jahre 1453 war das Siegel durch das entsprechende kaiserliche ersetzt ({{Posse|2|26|II, Taf. 26, 4). Seyler a. O. 211.
  2. Maximilian II. besiegelt die Wahlkapitulation mit seinem böhmischen Königssiegel (III, Taf. 32, 7). – Wahl- und Krönungstag Rudolfs II. 27/10 (1/11) 1575. Konfirmationsurkunde ausgestellt 1575 Nov. 1 (Krönungstag vier Tage nach der Wahl (III, Taf. 35, 7). – Wahl- und Krönungstag Ferdinands III. 12/12 (20/12) 1636. Wahlkapitulation 1636 Dez. 24 (zwei Tage nach der Wahl, vier Tage nach der Krönung. III, Taf. 54, 3. 4). Von Karl VI. besitzen wir aus der Zeit der Königswahl bis zur Kaiserkrönung nur zwei Originalstempel (IV, Taf. 3, 5 und 4, 1), jedoch keine damit besiegelte Königsurkunden. Am 27. Sept. 1711 verließ Karl seine Residenz Barcelona, landete in Genua und erfuhr in Mailand seine für ihn betriebene Wahl. Die Kaiserkrönung erfolgte 22. Dez. 1711. Die Königsstempel sind offenbar in dieser Zeit angefertigt, aber in dieser kurzen Zeit nicht benutzt worden. – Wahl Josefs II. 1764 März 27, Wahlkapitulation 1764 März 27 (am Wahltag IV, Taf. 36, 4. 5). – Wahl- und Krönungstag Leopolds II. 30/9 (9/10) 1790. Wahlkapitulation 1790 Sept. 30 (am Wahltag IV, Taf. 44, 1). – Franz II. übernahm den Stempel Leopolds II., in dem nur der Name des Siegelführers geändert wurde (IV, Taf. 48, 2). Wahl- und Krönungstag 5/7 (14/7) 1792. Wahlkapitulation 1792 Juli 12. Wenn diese Urkunde bereits sieben Tage nach der Wahl und zwei Tage vor der Krönung ausgestellt ist, so kann wegen der geringfügigen Änderung des Stempels eine Nachbesiegelung nur vermutet werden.
  3. St. 284 Otto I. 961 April 23 (Mon. Germ. DD 1, 222a). Die Urkunde kann nicht schon im April 961 zustande gekommen sein, trägt sie doch ein Siegel, das vor 965 nicht im Gebrauch war (I, Taf. 7, 5). Vgl. S. 163.
    St. 286 Otto I. 961 Mai 17 (Mon. Germ. DD 1, 225). Es wird, wie zwar Ficker, Beiträge 2, 203 will, in der Urkunde eine Neuausfertigung nicht zu erblicken sein. Sie ist erst nach der Kaiserkrönung geschrieben, aber mit Beibehaltung des Datums der Handlung. Die Kanzlei war, nachdem spätestens auf dem Reichstag zu Worms Mai 961 der Römerzug fest beschlossen worden, jedenfalls durch Vorbereitungen in Anspruch genommen und nicht in der Lage, die laufenden Geschäfte zu erledigen. Sie hat sich deshalb mit ersten Aufzeichnungen der Entschließungen des Königs begnügt und die eigentliche Ausfertigung, auch anderer Präzepte jener Zeit, auf spätere Zeit verschoben. Das Siegel ist verloren.
    St. 1500 Heinrich II. Vgl. Breßlau im N. Archiv 22, 149.
    St. 2729 Heinrich. Königsurkunde mit Kaisersiegel ist eine Fälschung. Vgl. S. 227.
    Ferdinand III. Wahlkapitulation 1636 Dez. 24 mit dem Königssiegel (III, Taf. 54, 3). Ein noch im Staatsarchiv Wien für Kurtrier bestimmtes Exemplar, gleichen Datums, ist mit dem Kaisersekret (III, Taf. 55, 4) besiegelt, aber wegen der damaligen Irrungen mit dem Kurfürsten nicht „extradirt“ worden.
  4. MR 1464 (1421) 867 Juni 14 und MR 1467 (1425) 868 Febr. 4, Ludwig der Deutsche. Das Gemmensiegel Ludwigs No. 2 (I, Taf. 2, 9) hatte anfangs eine Öse (I, Taf. 2, 7. 8), erhielt aber in der Zeit von 865 Juni 19 bis 867 Juni 14 eine Neufassung, ohne daß der Eindruck der Öse erkennbar wird. Das Siegel an MR 1464 hat nun diese Spur nicht mehr, an jenem von MR 1467 erscheint aber die Spur der Öse wieder, während sie in allen folgenden Urkunden fehlt. Es ist deshalb höchst wahrscheinlich, daß MR 1467 früher als MR 1464 besiegelt wurde, obgleich die Urkunde fast acht Monate später datiert ist. Vgl. Archiv. Zeitschr. NF 2, 100. Vgl. S. 8.
    MR 2077 (2018) Konrad I. 912 April 12 (Mon. Germ. DD 1, 7). Ficker, Beiträge 1, 176 bezieht das Datum auf die Handlung und nimmt spätere Verbriefung an. Foltz dagegen hält die Urkunde nach Schrift und Tinte für gleichzeitig mit MR 2076 (2017), glaubt aber, daß sie frühestens 913 mit Siegel versehen wurde, und weist selbst die Annahme zurück, daß die Urkunde wegen Verletzung des ursprünglichen Siegels ein zweites Mal, und zwar mit dem indessen angefertigten neuen Stempel (I, Taf. 6, 2) besiegelt worden sei.
    St. 547 und 549. Als man den jungen König Otto II. zum ersten Male urkunden ließ, war noch kein Siegelstempel für ihn vorhanden, so daß man sich bei St. 547 mit dem damaligen Stempel Ottos I. (I, Taf. 7, 2; 8, 1) behelfen mußte. Da sich aber die Beurkundungen von St. 548–550 verzögerten, konnte St. 549 mit dem unterdessen für Otto angefertigten Königssiegel (I, Taf. 8, 2) versehen werden. Erscheint somit die Besiegelung von St. 547 als eine ganz ausnahmsweise, so wird man nicht mehr wie bisher schlechtweg sagen dürfen, daß Vater und Sohn sich desselben Stempels bedient haben. Sickel, Beiträge zur Diplom. VI, S. 393.
    St. 572. Otto II. 972 Aug. 18 (Mon. Germ. DD 2, 26). Vgl. Sickel, Beiträge zur Diplomatik VI, 454. Mit dem Vater von Italien kommend (Konstanz 972 Aug. 18/28, St. 514–516 und Casus S. Galli, Mon. Germ. SS 2, 146) urkundet Otto II. 972 Aug.14 (St. 571) zu St. Gallen und Aug. 17 (St. 573) zu Reichenau für das Kloster Einsiedeln, das er auf der Reise berührt haben wird. Das entspricht zahlreichen anderen Fällen, wonach die Beurkundung [216] für den einen Ort aus in der Richtung des Itinerars liegenden anderen Orten einige Tage später datiert sind. Die Beurkundung von St. 571 ist daher nach St. Gallen und auf den 14. August zu versetzen, während sich das actum in s. Galli cenobio von St. 572 auf die Handlung, das daneben stehende 18. August dagegen auf die erst in Konstanz erfolgte Beurkundung bezieht. Otto II. führte seit 970 ein eigenes Kaisersiegel (I, Taf. 8, 4). Daß dieses dazumal zur Hand war, lehrt das mit demselben versehene St. 571 (St. Gallen Aug. 14). Daß derselbe Stempel auch ferner beibehalten wurde, zeigt St. 574 (Nierstein, Okt. 18). An St. 572 findet sich aber eins der beiden Siegel, die in diesen Jahren ausschließlich für die Diplome des älteren Kaisers im Gebrauch waren. Erst als der Sohn durch den Tod des Vaters Alleinherrscher geworden war, hat er mit demselben Stempel seine Präzepte beglaubigen lassen. Da nun kein Grund denkbar ist, um dessentwillen man damals in Konstanz, um die Urkunde des Sohnes zu besiegeln, statt des ihm eigentümlichen und zur Verfügung stehenden Stempels den des alten Kaisers gewählt haben sollte, muß man die Befestigung des betreffenden Siegels an St. 572 in die Zeit nach dem 7. Mai 973 (Todestag Ottos I.) versetzen. Sollte also der 18. August bereits an diesem Tage in das Präzept eingeschrieben worden sein, so ist doch letzteres damit noch nicht perfekt geworden, sondern es blieb noch Monate in der Registratur liegen, bis es endlich, wohl auf neue Bitte der Mönche, durch das Siegel beglaubigt und dem Kloster ausgefolgt wurde.
    Redlich 139. Rudolf I. Die Urkunde von 1274 April 6 trägt das erst später von 2274 Aug. 28 verwendete Siegel (I, Taf. 40, 5), doch hat bereits Redlich darauf hingewiesen, daß die Urkunde vom Empfänger im Kloster Weingarten nach dem Muster der vorangehenden (Reg. 138) mit Siegel (I, Taf. 40, 4) hergestellt, von der Kanzlei aber dann erst viel später besiegelt wurde. Vgl. auch Mitteil. des österr. Inst. 29, 631.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0216.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)