Seite:Posse Band 5 0229.jpg

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In neuerer Zeit (Ilgen a. O. 58) nimmt man nun an, daß unsere Vorfahren im Mittelalter die Gipsformen noch nicht kannten, ohne daß doch diese Annahme bisher bewiesen worden ist, wogegen Untersuchungen antiker und mittelalterlicher Bauwerke eine derartige Geschmeidigkeit und Härte des als Bindemittel gelöschten Kalkes ergeben, daß z. B. bei Abtragungsarbeiten sehr widerstandsfähige Handwerkszeuge verwendet werden mußten.

Von mir angestellte Untersuchungen ergeben nun, daß sich durch Mischung des gelöschten Kalkes mit Milch, ein außerordentlich geschmeidiges Material zum Abformen erzielen läßt, das in trockenem Zustande dem Fälscher sehr harte Matrizen liefert.

Gleichschwer ist die Siegelfälschung zuerkennen, wenn die obere Siegelschicht mit dem Bilde geschickt abgelöst und mit der unteren Siegelschale verbunden, oder letztere zum Zwecke des Durchziehens der Siegelfäden durchgebohrt wurde[1].


Heinrichs IV. bisher nur bis zum 23. Mai 1076 (St. 2792) zu erweisen, es würde also auch unsere als verloren gegangen erwiesene Urkunde vom 29. Juni 1076 noch von ihm rekognosziert gewesen sein. Weshalb, ob aus Versehen oder mit Absicht, der Fälscher von No. 1 die Jahreszahl in 1074 umänderte, läßt sich nicht feststellen. Wie willkürlich er mit den Zahlen umging, erhellt daraus, daß er die Indiktion um zwei Einheiten falsch ansetzte.

Anders als mit No. 1 verhält es sich mit No. 3 und 4. No. 3 ist rekognosziert vom Kanzler Humbert, der 1089 Aug. 14 bis 1101 Juli 1, No. 4 vom Kanzler von Italien, Burkhard, der 1079 Juli 23 bis 1087 Sept. 13 sein Amt verwaltete. Von einer Anlehnung bez. Nachahmung der Schrift von H. A. kann keinesfalls die Rede sein. Und wenn die Worte der ersten Zeile des Textes von No. 3 (notum – nostre) eine ängstliche, ungeschickte Nachahmung, namentlich in den Abbreviaturzeichen verraten, so ist da die Annahme nicht ausgeschlossen, daß der Schreiber sich an No. 2, von der Hand des H. A., angelehnt und auch die Rekognitionszeile diesem entnommen hat, worauf die zackige Form des a, und zwar nur diese allein, schließen läßt. Auch mit der Fälschung No. 4 hat No. 3 nur diese Form des a gemeinsam. Doch dürfte schon mit Rücksicht auf die zum Itinerar passende Datierung „Mantue“ eine gleichfalls von H. A. herrührende, jetzt verlorene Urkunde für die Fälschung No. 3 als Vorlage gedient haben und ebenso bei Herstellung von No. 4, mit der Rekognition des Burkard, Kanzlers für Italien, und der Datierung Berne (Verona?) Wo soll der Fälscher aber, den wir in Meißen zu suchen haben, seine der Zeit nach passenden Rekognitonen und Datierungen hergenommen haben, als von Urkunden, die ihm damals im Stiftsarchive zugänglich waren, jetzt jedoch verloren sind? Vom Jahre 1074 ab bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts sind uns Schenkungsurkunden der Kaiser für das Stift Meißen nur sieben Stück (St. 2779 (No. 1), 2997 (5), 2901 (2), 2909 (3), 2927 (4), 3024, 3029) erhalten, jedoch läßt sich nur für drei (St. 2901, 2997, 3029) die Echheit erweisen. Auf die Mitte des 12. Jahrhunderts, als die Zeit der Entstehung der Fälschungen und auf Meißen als Fälschungsort, weist der allgemeine Schriftduktus von No. 1, 3 und 4 hin, für No. 4 ist im Text eine sicher dem 12. Jahrhundert angehörende Bücherschrift verwendet worden. Für No. 1 ist die Absicht der Fälschung, wie erwähnt, leicht zu erkennen, man wünschte ein unanfechtbareres Dokument als die Verbriefung der Schenkung durch einen Schattenkönig zu haben. Offenbar sind die Fälschungen nach dem Verfall der Burgwarte entstanden. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts löste sich allmählig die alte Militärverfassung der Marken auf, als mehrere Burgwarte, welche die Grundlage derselben gebildet, an die Stifter Meißen und Naumburg und auch an den Grafen Wiprecht von von Groitzsch u. a. von dem Kaiser vergabt wurden. Vgl. Posse, Markgrafen von Meißen 293. Manche Besitzerwerbung mag da nicht verbrieft worden sein, oder das Bistum Meißen suchte sich für von ihm annektierte Orte Besitztitel zu schaffen, griff deshalb zur Fälschung und fabrizierte Urkunden auf Grund echter, uns nicht mehr erhaltener Dokumente. In jener Zeit und in gleicher Absicht ist auch St. 3024 1107 Dez. 28 (Or. Dresden), Urkunde Heinrichs V. (II, Taf. 45, 2) mit grober Siegelfälschung entstanden. Vgl. S. 116. 229.

St. 3256 (II, Taf. 48, 2–4). Lothar III. Fälschungen in drei Exemplaren aus der Zeit des 12. und anfangs des 13. Jahrhunderts mit Abdrücken vom echten Siegel Lothars III. No. 2. Vgl. S. 117.

St. 3776 (II, Taf. 49, 6) Friedrich I. Fälschung des 13. Jahrhundert. Siegel matter Abdruck von Friedrich I. (I, Taf. 22, 1) S. 118.

BF 1603 (II, Taf. 50, 4). Friedrich II. Fälschung 13. Jahrhundert mit einem Siegel nach Abguß vom echten (I, Taf. 29, 3). Vgl. S. 119.

BF 3483 (II, Taf. 50, 5. 6). Friedrich II. Fälschung aus den Jahren 1358–59. Abschlag von einer echten Bulle (I, Taf. 22, 3, 4). Vgl. S. 120.

  1. St. 4804. Heinrich VI. Das anhängende echte Siegel ist das Heinrichs (VII.) I, Taf. 31, 5. Das ursprüngliche sehr dünne Siegel erhielt von der Rückseite einen Wachsaufguß, in welchen dasselbe wie in einen Teller mit flachem Rande eingelassen wurde, die Siegelschnur der falschen Urkunde ist durch diesen Wachsaufguß an dem wirklichen ursprünglichen Siegel befestigt.
    St. 4807. Heinrich VI. Gefälscht im 15. Jahrhundert. Ein echtes Siegel Heinrichs VI. (I, Taf. 23, 2) angehängt, durch Lösung und Wiederverbindung der Siegelschalen. Wirttemberg. Urkundenb. 2, 286.
    BF 734 (II, Taf. 56, 6. 7). Friedrich II. (Or. Dresden 183). Die jetzt wieder offen da hängende Siegelplatte abgelöst und wieder verbunden. Fälschung um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Vgl. S. 119.
    BF 1012 (Or. Stuttgart), Friedrich II. Fälschung. Das Siegel ist echt, doch steht seine verdorbene, schmutzig graue und rostgelbe Farbe, die Unebenheit der Grundfläche, der nach einer Seite hin eingedrückte etwas verschobene Kopf der Königsfigur mit dem frischen Aussehen der Urkunde und Siegelschnur in auffallendem Gegensatze. Auch ist der Wachsteller, in dem das Siegel eingedrückt ist, von bedenklicher Dicke. Offenbar ist das Siegelbild abgelöst und mit einer neuen Schale wieder befestigt.
    Redlich 145, 1274 April 12. Rudolf I. (Wirttemberg. Urkundenb. 2, 434). Fälschung der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Das Siegel ist der Länge nach zerbrochen und die durchgezogene Schnur in Folge davon nach der Vorderseite hin bloßgelegt. Ferner ist die Rückseite in mehreren größeren Stücken davon abgesprungen, die nichts anderes sind, als Teile eines zweiten, etwa fingerdicken Wachsaufgusses auf die Rückseite des nun wieder zum Vorschein gekommenen ursprünglichen, an sich viel dünneren und etwas helleren echten Siegels, für welches die Schnur, an der dasselbe jetzt befestigt ist, viel zu dick gewesen wäre. Ebenso Rudolf I. Redlich 139, 1274 April 6 (Wirttemberg. Urkundenb. 2, 433). Fälschung Schluß des 13. Jahrhunderts. Mit jetzt abgesprungenem Siegel.
    Karl IV. 1352 Dez. 5 (Or. Dresden 3321). Gefälscht. Das Siegel echt, wahrscheinlich zerschnitten und wieder befestigt. Lindner a. O. 205.
    Karl IV. 1360 Okt. 28 (Or. Wien). Urkunde im 14 Jahrhundert geschrieben. Das echte Siegel Karls als Markgraf von Mähren falsch eingehängt. Deutlich sieht man, daß er durchgeschnitten war. Lindner a. O. 207.
    Wegen des Siegels Rudolfs I. (II, Taf. 57, 4. 6) an der echten Urkunde Ludwigs IV. von 1314 Dez. 24 (Reg. Lud. 40), ebenso wegen des Siegels Adolfs an der gefälschten Urkunde Karls IV. von 1346 Aug. 4. Vgl. S. 122. 217. 226.
    Karl IV. 1374 Juni 4 (Or. Dresden 4091) unter Hofgerichtssiegel (= II, Taf. 5, 1. 2) für Mühlhausen i. Thür. Die Schrift widerspricht zwar nicht gerade dem 14. Jahrhundert, ist aber sicher nicht aus der Kanzlei, auch nicht der des Hofgerichts, [229] was allerdings nicht entscheidend sein würde. Auch der Datumsort Guben trifft zu. Aber die äußere Einrichtung der Datierung, in der die Zahlen immer in Buchstaben gegeben werden und der auch die Regierungsjahre fehlen, ist auffällig, ebenso die ganze Erscheinung, der schmale Bug, die Einhängung des Siegels durch den Bug. Entscheidend aber ist, daß das Siegel rotes Rücksiegel hat, was man sonst nie bei den Hofgerichtssiegeln Karls findet, außerdem ist es auffallend dick und offenbar künstlich zusammengeklebt. Lindner a. O. 206.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0229.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)