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Schweinerei fähig zu sein. Dieser Kredit ist mir — im ganzen genommen — gewährt worden. Aber eine politische Kampfbasis ist das grade nicht. Während Kreiser in Paris auf Teufel komm raus publiziert, sitze ich hier in Deutschland gleichsam als Geisel für sein weiteres Verhalten. Ich gestehe Kreiser gern zu, daß er mit seinen Aufsätzen im ,Echo de Paris‘ nur der Wahrheit zu dienen glaubt und, sich als Instrument einer höhern sittlichen Ordnung betrachtet. Mit der Fühllosigkeit des echten Moralisten, dem es nur darauf ankommt, der Gerechtigkeit zu dienen, bat er jedoch nicht einen Augenblick darauf Rücksicht genommen, daß dadurch andre zu Schaden, mindestens in höchst dubiose Beleuchtung kommen könnten. Ich mache ihm keinen Vorwurf daraus, wahrscheinlich ist ihm die bloße Vorstellung davon gänzlich fern geblieben.

Das ,Echo de Paris‘ ist ein hochkapitalistisches, der Rüstungsindustrie nahestehendes Organ. Sein leitender Mann, Herr Henri de Kerillis, war in dem eben beendeten Wahlkampfe der Manager der französischen Rechten. In seiner gesamten innen- und außenpolitischen Haltung entspricht es aufs Haar der ‚Berliner Börsenzeitung‘, die denn auch mit fahrplanmäßiger Pünktlichkeit über Kreisers Aufsätze hergefallen ist. Zwar wagt sie nicht offen, mich der Mitschuld zu verdächtigen, aber sie konstatiert doch die „gleiche Gesinnung“ und dehnt das gleich auf den gesamten deutschen Pazifismus aus, um mit einem kraftvollen Appell an Groener zu schließen, jetzt die ganze Gesellschaft endlich hopp zu nehmen. Sollte dies berliner Echo nicht Kreiser über das belehren, was er angerichtet hat?

Erschütternd wirkt die Art, wie er sich mit dem Charakter des Organs auseinandersetzt, das ihm als Tribüne dient:

„Mais si dans la presse française j’ai choisi l’Echo de Paris, c’est que ce journal m’est apparu comme un des plus francs, et qu’il a toujours voulu que l’on définisse exactement les buts de la politique internationale, avant de fixer les bases d’une entente. La position de l’Echo de Paris en matière de politique m’est indifférente.“

Trotzdem läßt dieses „freimütige“ Organ seinen neuen Mitarbeiter nicht ohne eine höchst blamable Quarantäne passieren. Kreisers erster Aufsatz erscheint mit einer redaktionellen Präambel aus der Feder des Herrn Pironneau. Zunächst einmal entschuldigt die Redaktion sich, daß einem Deutschen das Wort gewährt werde.

„M. Walter Kreiser nous a demandé de faire paraître l’article qu'on trouvera ci-dessous. Bien que, jusqu’à présent, nous ayons, pour des raisons sur lesquelles il est inutile d’insister, refusé l’hospitalité de nos colonnes à diverses personnalités allemandes — journalistes ou hommes politiques — qui l’avaient sollicitée, nous avons cru devoir, à titre exceptionnel, satisfaire au désir de M. Kreiser.“

Und dann darf der also bevorzugte Gast am Katzentisch Platz nehmen und das Wort an die Leser des ,Echo de Paris‘ richten,

Empfohlene Zitierweise:
Carl von Ossietzky: Rechenschaft. Berlin: Verlag der Weltbühne, 10. Mai 1932, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rechenschaft_6.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)